Von Nord bis Süd, von Ost nach West: Bewegung, Spiel und Sport im Ganztag

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Ergebnisse der Ganztagsbefragung der dsj

Der bevorstehende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 stellt den organisierten Sport vor neue Herausforderungen, bietet aber auch Chancen. Insbesondere die Verankerung von Bewegung, Spiel und Sport (BeSS) im Ganztag birgt das Potenzial, allen Kindern einen Zugang zu ermöglichen. Durch die Schulpflicht können auch bisher sportferne Kinder erreicht werden. Darüber hinaus bietet die Integration von BeSS in den Ganztag die Möglichkeit, das Recht der Kinder auf Spiel und Freizeit zu gewährleisten. Aus diesem Grund beschäftigt sich die Deutsche Sportjugend (dsj) intensiv mit der Thematik und hat auf Wunsch ihrer Mitgliedsorganisationen eine Befragung durchgeführt, um aktuelle Entwicklungslinien von BeSS im Ganztag darzustellen und den Status quo in den Bundesländern abzubilden.

In den Fragebögen wurden die Landessportjugenden (LSJ)/Landessportbünde (LSB) u. a. zu ihren Erfahrungen der letzten fünf Jahre befragt. Die Erfahrungsberichte der LSJ/LSB zeigen, dass der Ganztag insgesamt als Chance gesehen wird, Bewegung, Spiel und Sport (BeSS) nachhaltig im Ganztag zu verankern. Dem stehen jedoch auch einige Herausforderungen gegenüber. An erster Stelle wird die Planungsunsicherheit aufgrund fehlender einheitlicher Rahmenbedingungen kritisiert. Diese Unsicherheit bezieht sich insbesondere auf finanzielle, materielle und personelle Strukturen, die vielerorts noch nicht klar definiert sind. Auch die räumlichen Ressourcen sind teilweise nicht ausreichend. Es wird befürchtet, dass insbesondere kleinere Vereine ohne direkte Anbindung an Schulen ins Hintertreffen geraten. Zudem wird betont, dass der Ganztag nicht allein mit ehrenamtlichem Personal zu bewältigen ist. Problematisch wird auch gesehen, dass Vereine im Ganztag nicht als Bildungsakteure, sondern als Dienstleister wahrgenommen werden. Dies führt bereits auf Länderebene zu einem Flickenteppich bei der Umsetzung von BeSS im Ganztag, nicht zuletzt aufgrund lokal unterschiedlicher Voraussetzungen.

Aus den Erfahrungsberichten ist abzuleiten, dass es …

  1. … klare Rahmenbedingungen bedarf, die die Planungssicherheit für die Vereine erhöhen und den Flickenteppich im Land reparieren. Dies beginnt damit, dass in allen Bundesländern für den organisierten Sport dargelegt wird, ob die Umsetzung des Ganztages per Erlass oder ein Ausführungsgesetz geregelt ist. Die Umfrage zeigt, dass dies einem Großteil der Mitgliedsorganisationen nicht bekannt ist. Außerdem bedarf es einer Aktualisierung der Rahmenvereinbarungen über BeSS im Ganztag zwischen der Landesregierung/dem Kultusministerium und den LSJ/LSB. In zehn Bundesländern erfolgte bisher keine Aktualisierung, in einem Bundesland existiert keine Rahmenvereinbarung. Mit Blick auf den kommenden Rechtsanspruch scheint dies jedoch notwendig.
  2. …  eine Neustrukturierung der Personalstrukturen für BeSS im Ganztag bedarf, was zu den größten Herausforderungen aus Sicht der LSJ/LSB zählt. Es wird hervorgehoben, dass sich die Durchführung der BeSS-Angebote im Ganztag mit ehrenamtlichem Personal nur schwer umsetzen lässt. Hierfür ist nicht zuletzt eine angemessene Honorierung zu gewährleisten. Die erhobenen Daten zeigen auf, dass die Ehrenamtlichen in der Regel weniger als 20 Euro pro Stunde für die Durchführung von BeSS-Angeboten im Ganztag erhalten.
  3. … einer Fortführung und Sicherstellung der Freiwilligendienste bedarf. In allen Bundesländern werden Freiwilligendienstleistende für BeSS-Angebote im Ganztag eingesetzt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Freiwilligendienstleistenden im Sport erhöht, da durch den Ausbau des Ganztags ein wachsender Personalbedarf auch bei den Sportvereinen zu erwarten ist. Es braucht eine auskömmliche Bundes- und Landesförderung der Stellenkontingente für die Freiwilligendienste im Sport.
  4. … einen Ausbau von Koordinierungsstellen bzw. Netzwerkkoordinatoren braucht, um Schulen/Ganztag mit dem der örtlichen Sportvereinen zu vernetzen. Für die reibungslose Zusammenarbeit von Rechtsanspruchsträgern, Schulen und den überwiegend ehrenamtlich geführten Sportvereinen braucht es die flächendeckende Einführung von örtlichen Koordinierungsstellen. Denn nur so können kleinere Sportvereine, die nicht im Umkreis der Schule verortet sind, Anknüpfungspunkte identifizieren. Die Kontaktaufnahme aller Parteien wird vereinfacht. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass die Voraussetzungen vor Ort unterschiedlich sind und nicht alle Sportvereine mit dem Ganztag kooperieren können. Von Bedeutung ist aber, dass ein Engagement im Ganztag grundsätzlich für alle möglich ist.
  5. … ein breites Spektrum an Zielen mit BeSS-Angeboten im Ganztag verfolgt wird. Neben einer breiten sportmotorischen Ausbildung und motorischen Förderung, wird auch der Beitrag zur ganzheitlichen Entwicklung als Ziel von der Umsetzung von BeSS-Angeboten von den LSJ/LSB genannt. Mit Blick auf die heterogene Schüler*inschaft und die Öffnung von Sportangeboten für noch sportferne Kinder, sollte jedoch auch Teilhabe und Vielfalt als Ziele von BeSS-Angeboten stärker in den Blick genommen werden. Teilhabe und Vielfalt werden bisher nicht als primäres Ziel von BeSS-Angeboten im Ganztag gesehen. BeSS-Angebote bieten jedoch die Chance, möglichst ALLE Kinder für Bewegung, Spiel und Sport zu begeistern und ihnen die Teilhabe zu ermöglichen. Damit wird nicht nur ein Beitrag zum Abbau sozialer Ungleichheiten geleistet, sondern auch eine breitere Zielgruppe für BeSS angesprochen.

Die o. g. Handlungsempfehlungen verdeutlichen, dass bis zur Umsetzung des Rechtsanspruchs von Seiten des Sports noch einige Fragen ungeklärt sind. Es bedarf weiterer Anstrengungen, insbesondere auf politischer Ebene, um BeSS-Angebote im Ganztag langfristig zu verankern, denn nur wenn klare Rahmenbedingungen langfristig gesetzt sind, kann auch die Qualität der Angebote gesteigert werden. Zudem ist insbesondere die Sicherung der personellen und finanziellen Ressourcen notwendig.


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