Von der Umweltbildung zur Nachhaltigkeitsstrategie: Einblicke in die Arbeit der Deutschen Sportjugend

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Auszüge aus einer Bachelorarbeit zur „Transformation einer Sportorganisation"

Fabian Radtke führte für seine Bachelorarbeit mit dem Titel "Transformation einer Sportorganisation – Entwicklung eines Nachhaltigkeitsangebotes für die Mitgliedsvereine des württembergischen Landessportbundes e.V.“ ein Expert*inneninterview (gekürzte Fassung) mit Katharina Morlang von der Deutschen Sportjugend (dsj). Sie ist seit 2014 Referentin in den Bereichen Nachhaltigkeit, insbesondere Bildung für nachhaltige Entwicklung, Bildung, Praxis-Forschungs-Dialog und Digitalisierung. In ihrer täglichen Arbeit versucht sie diese Themen im Kinder- und Jugendsport weiterzuentwickeln, wobei Nachhaltigkeit dabei als Querschnittsaufgabe zu betrachten ist und entsprechend viele Bereiche betrifft.

Fabian Radtke: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit für die dsj und wann kam das Thema erstmals auf?
Katharina Morlang: Das Thema Nachhaltigkeit hat zu verschiedenen Zeitpunkten eine unterschiedliche Rolle gespielt in der dsj. Hierbei gibt es nämlich eine Entwicklung. Die Deutsche Sportjugend hat sich in den 80er Jahren erstmals dem Themenfeld Umweltbildung gewidmet. Damals ging es primär um Umweltthemen, die gemeinsam mit anderen Organisationen durch entsprechende Maßnahmen mit Kindern und Jugendlichen behandelt wurden, um die Umweltbildung zu fördern. Seit 2013 widmet sich die dsj verstärkt dem Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), da man das Thema Nachhaltigkeit nicht nur aus der Umweltperspektive, sondern auch aus sozialen sowie ökonomischen Gesichtspunkten beleuchten möchte. In diesem Zuge wurde ein Arbeitsgremium zum Themenfeld BNE gegründet. Zudem wurde das Thema Nachhaltigkeit u. a. im Leitbild verankert – das Thema Nachhaltigkeit wurde in der dsj somit zur Querschnittsaufgabe gemacht. Ein besonderer Fokus lag dabei auf dem Thema BNE, weil nach unserem Verständnis Sportvereine- und verbände Bildungsakteure sind, die über Bewegung, Spiel und Sport Kompetenzen an junge Menschen vermitteln können. Außerdem haben wir in 2021 eine dsj-Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Wie man sieht, spielt das Thema in der dsj somit eine ziemlich große Rolle, auch wenn das Themenfeld viele Herausforderungen und Hürden mit sich bringt. Das Thema war allerdings nicht immer so prominent wie heute – vor allem durch die Fridays For Future-Bewegung ist der Druck auf sämtliche Organisationen gestiegen. In diesem Zuge wurde das Thema auch in der dsj immer relevanter.

Welche Herausforderungen wurden bei der Implementierung nachhaltiger Maßnahmen bei der dsj festgestellt? Welche Lösungen habt ihr dafür ggf. gefunden?
Das Thema Mobilität sorgt für einen wichtigen Diskurs bei der dsj. Das betrifft nicht nur die Reiseaktivitäten des Vorstands oder der Mitarbeitenden, sondern auch internationale Maßnahmen der dsj. Einerseits wollen wir die Umwelt nicht belasten, andererseits wollen wir interkulturelles Lernen und die Kommunikation sowie Programme beispielsweise mit Japan fördern. Da der Austausch im digitalen Raum nicht auf Dauer funktionieren wird, gehört dazu auch die Reise mit dem Flugzeug, schließlich können wir die Leute nicht mit dem Schiff befördern. Ich denke, ich spreche für den gesamten organisierten Sport, wenn ich sage, dass das Fördern von Begegnungen und gemeinsamen Austausch im internationalen Raum auf eine nachhaltige Art und Weise eine sehr große Herausforderung darstellt, für die es kein Pauschalrezept gibt. Deswegen müssen wir im Kleinen, nämlich bei uns selbst anfangen. Doch auch hier kann es – zum Beispiel bei innerdeutschen Flügen – zu Interessenskonflikten zwischen Nachhaltigkeit und gesetzlichen Vorschriften durch Förderungen kommen. Wir haben bei der dsj viele Schritte in die richtige Richtung gemacht, aber wir sind noch nicht am Ziel. Wichtig wird es sein, in Zukunft weiter innovativ und out of the box zu denken. Gleichzeitig sollte aber allen klar sein, dass auch die Politik noch viel tun muss, damit Sportvereine und-verbände nachhaltige Veranstaltungen und Maßnahmen umsetzen können. Ohne die Unterstützung der Politik kommen wir mit unseren Möglichkeiten nur bedingt weiter.

Gibt es gewisse Erfolgsfaktoren oder Strategien aus deiner Erfahrung bei der dsj, die auch auf andere Sportorganisationen anwendbar sind?
Grundsätzlich braucht es Mitarbeitende, die Lust auf das Thema haben und die Organisation im Hinblick auf Nachhaltigkeit vorantreiben wollen. Des Weiteren ist es empfehlenswert, sich Kooperationen und Bildungsnetzwerke aufzubauen, Veranstaltungen zu besuchen und auch mit anderen zu sprechen. Das Komplexeste in diesem Zusammenhang ist die Aneignung von Wissen, da Nachhaltigkeit kein Thema ist, bei dem es richtig und falsch gibt. Je tiefer man in die Thematik einsteigt, desto komplexer wird es. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, sich Fachwissen anzueignen und ein Gefühl für nachhaltiges Verhalten, Denken und Entscheiden zu entwickeln. Außerdem ist es wichtig, den Vorstand und die Menschen in der Organisation auf seine Seite zu bringen, Gespräche auf Augenhöhe zu führen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Zuletzt halte ich es für wichtig, dass man als Organisation auch bei der Politik auf das Thema aufmerksam macht und den Finger in die Wunde legt. 

Gibt es Best Practices, an denen ihr euch orientiert habt?
Als Organisation steht man erstmal vor den Themen Nachhaltigkeit und BNE und weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Insofern ist es besonders wichtig, strategisch und analytisch vorzugehen und sich zu fragen, welche Ziele man verfolgt. Dementsprechend kann es durchaus hilfreich sein, sich an gewissen Konzepten orientieren zu können. Im Falle der dsj war das zum einen der Nationale Aktionsplan BNE vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Konzept zur Gestaltungskompetenz von BNE nach de Haan.

Welche zukünftigen Entwicklungen oder Initiativen plant die dsj im Bereich Nachhaltigkeit?
Zunächst evaluieren wir kontinuierlich unsere Nachhaltigkeitsstrategie und schauen, welche zukünftigen Maßnahmen sich daraus ergeben. Außerdem blicken wir auf ein gemeinsames Projekt mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zurück: Dazu gehören unter anderem eine Digitale Akteur*innenkarte und ein Zukunftsbild. Mit diesem Zukunftsbild werden wir außerdem im Laufe des Jahres 2024 viel Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Schulen, Kitas und andere Einrichtungen können über das Zukunftsbild mit jungen Menschen ins Gespräch kommen. Zudem würde ich gerne ein gemeinsames Projekt mit Universitäten und Mitgliedsorganisationen umsetzen, in dem z. B. über eine Studie ermittelt werden soll, wo genau die Bildungspotenziale im Sportverein, in Bewegung, Spiel und Sport für nachhaltige Entwicklung liegen und sichtbarer gemacht werden können.

Fabian Radtke: Welche Empfehlungen würdest du anderen Sportorganisationen oder Sportvereinen geben, die eine nachhaltige Transformation anstreben?
Katharina Morlang: Besonders wichtig ist es, überhaupt anzufangen und die Sache ernsthaft anzugehen. Es ist aus meiner Sicht empfehlenswert, sich selbst zu analysieren, ggf. einen Selbstcheck zu machen und sich daraufhin zu ordnen und eine Strategie zu entwickeln. Zudem sind Kooperationen sowie die Aneignung von Wissen in diesem Rahmen besonders wichtig. Letztendlich halte ich es für essenziell, das Thema Nachhaltigkeit positiv anzugehen und keine Krisenstimmung zu verbreiten. Wenn man das Thema positiv auflädt, hören die Leute zu und sind eher bereit, am Thema zu arbeiten. Nachhaltigkeit ist so wichtig, da es die Basis für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft und der Sportvereine darstellt - insofern hat es auf jeden Fall etwas Positives, sich damit auseinanderzusetzen.


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