Jetzt sind wir bereits auf dem Weg zur dritten Gruppe im Regionalprogramm (Rheinland-Pfalz/Saarland) und berichten von unseren Erlebnissen der vergangenen Tage mit der Gruppe der Sportjugend NRW. Wie wir bereits im letzten Beitrag erwähnten, ging es für uns nach dem ersten Regionalprogramm mit der Fähre und dem Zug in die Präfektur Saga – berühmt für ihre Zwiebeln und Lotuswurzeln. Direkt nach der Ankunft in Saga wurden wir im Rathaus der Stadt Shiroishi empfangen, wo der stellv. Bürgermeister der Stadt uns und die Gruppe aus NRW herzlich begrüßte und wir auch das erste Mal unsere Regionalbetreuer*innen kennenlernen durften.
Nach dem Austausch von Gastgeschenken und einem netten sowie von der japanischen Seite sehr interessierten Gespräch ging es für uns alle weiter zum offiziellen Empfang der Gemeinde. Die Teilnehmenden trafen dort das erste Mal auf ihre Gastfamilien. Auch für uns war es eine besondere Situation, da wir bisher auf dieser Reise noch nicht die Gelegenheit bekommen haben, dies hautnah mit zu erleben. Dabei ist uns aufgefallen, dass besonders die sehr jungen Gastgeschwister es schaffen das Eis sehr schnell zu brechen. Die Stimmung beim Empfang war allgemein sehr freundlich, jedoch noch recht förmlich und zurückhaltend. Das hat sich jedoch bereits im Laufe des folgenden Tages ganz schnell geändert. Den zweiten Tag in Shiroishi verbrachten wir in der High School der Stadt. Als erster Punkt auf der Tagesordnung stand Kendo auf dem Plan. Kendo bedeutet übersetzt „Der Weg des Schwertes“ und ist eine Sportart, die sich aus dem traditionellem Schwertkampf der Samurai entwickelte. Wie bei allen japanischen Budo-Sportarten, steht auch beim Kendo nicht nur der sportliche Wettkampf, sondern auch die mentale und moralische Ausbildung der Sportler*innen im Fokus. Bevor wir uns jedoch im Umgang mit dem Schwert beweisen konnten, mussten wir erst einmal den Kendo-Gi und den Rumpfschutz anlegen. Auf einen Kopf- und Unterarmschutz durften wir verzichten, da wir an diesem Tag nur in einer angreifenden Rolle aktiv wurden. Nachdem wir vollständig angekleidet waren, durften wir gemeinsam mit den japanischen Kendo-Schüler*innen verschiedene Reaktionsübungen machen und sogar eine Zeitung mit einem Holzschwert zerteilen. Danach wurden wir in deutsch-japanische Tandems aufgeteilt und die ersten Paar-Übungen wurden durchgeführt. Die Japaner*innen trugen die vollständige Schutzausrüstung, so dass wir auch Schläge auf den Kopf und die Arme ausführen konnten. Anfangs haben wir dabei noch eher zögerlich zugeschlagen, nachdem wir aber gesehen haben, wie die Kendoka die Schwerthiebe durchgezogen haben, wurden auch unsere Schläge immer härter und präziser. Insgesamt war die Einheit Kendo für uns sehr interessant und eine gelungene Abwechslung zu unseren Heimsportarten. Im Anschluss an das Kendo durften unsere Teilnehmenden zusammen mit den japanischen Schüler*innen einer inklusiven Sportgemeinschaft Boccia spielen. Dies war gleichzeitig eine optimale Einstimmung für die Diskussion des Jahresthemas „Inklusion“, welche im Anschluss daran stattfand. Nach dem Schulbesuch ging es für uns als Leitungsteam kulturell weiter. Da am Abend kein weiteres Programm von offizieller Seite mehr geplant war, entschieden wir uns den Abend gemütlich beim Karaoke ausklingen zu lassen, da es in unseren Augen auch zur japanischen Kultur gehört (und wir alle auch einfach sehr gerne singen!). Allerdings darf man sich das Karaoke in Japan nicht wie die europäische Variante vorstellen. Anstelle einer offenen Bühne in einer Bar oder Kneipe, gibt es in Japan viele einzelne Kabinen, in der man nur dem Gesang der eigenen Begleitungen lauschen darf. Uns hat das Konzept so gut gefallen, dass wir unsere geplante Stunde gleich mal verdoppelt haben. Wir haben also unser neues Hobby gefunden. Am nächsten Morgen ging es für uns munter in schönster Natur weiter. Mit einigen Grundschüler*innen der Stadt kochten wir Reis über einem offenen Feuer mit dem sogenannten Hango, eine Art Camping-Kocher für Reis. Dafür mussten wir zuerst Holz hacken, die Feuerstelle vorbereiten und den Reis gründlich waschen. Für manche unserer Teilnehmenden waren diese Aktivitäten bereits eine Premiere. Der Reis wurde mit einer ausreichenden Menge an Wasser in das Hango gegeben und über dem offenen Feuer gekocht. Zum Reis gab es dann Curry; das hat uns gut geschmeckt.
Nach diesem Exkurs in die japanische Camping-Küche, fuhren wir zu einem High-School-Kultur-Fest, bei dem sich die besten Schul-Musikgruppen des Landes miteinander gemessen haben. Dadurch, dass wir bereits in Kagoshima selbst die japanischen Trommeln ausprobieren durften, konnten wir nun recht gut die beeindruckende Virtuosität der Vorführungen einschätzen. Die Performances übertrafen dann aber doch unsere Erwartungen! Alle Gruppen überzeugten mit einer unglaublichen Mischung aus Präzision, Eleganz und Geschwindigkeit in ihrem Spiel, wunderschönen traditionellen Kostümen und sehr spannenden Choreografien. Die Taiko-Trommeln wurden bei einigen Gruppen sogar noch mit Glockenspielen oder Flöten ergänzt, die das musikalische Endergebnis weiter abrundeten. Unser Highlight war die Gruppe, bei der mitten im Auftritt eine der Trommlerinnen nach vorne trat, mit ihrer sagenhaften Stimme dem gesamten Publikum den Atem raubte, während die anderen mit ihren Trommeln im Hintergrund etwas ruhigere Töne anschlugen. Unser letzter Tag in Shiroishi begann mit der Besichtigung des Yutoku-Inari-Schreines - der drittgrößte seiner Art in Japan - der dem Gott Inari (= der Gott der Landwirtschaft) geweiht ist. Der Schrein begeisterte uns nicht nur durch seine schiere Größe, sondern auch durch die gelungene Einbindung in die umliegende hügelige Landschaft. Ein ganz besonderes Naturerlebnis konnten wir bei der anschließenden Wattwanderung erleben. Während wir wahlweise knöchel- bzw. knietief im warmen, klebrigen Schlamm wateten konnten wir dabei kleine Krebse und Fische beobachten. Zum Abschluss unseres Aufenthalts gab es am Abend noch die regionale Sayonara-Party mit allen Gastfamilien, Regionalbetreuer*innen und einigen Funktionären. Dort konnten wir uns noch einmal recht herzlich für die fürsorgliche Betreuung in Shiroishi bedanken. Die Teilnehmenden haben gemeinsam mit ihren Gastfamilien bei einem leckeren Essen den letzten Abend eingeleitet. Besonders rührend wurde es, als alle anwesenden Japaner*innen aus voller Brust das Volkslied „Furusato“ (=Heimat) sangen. Für uns war es wirklich schön zu sehen, wie sich die einzelnen Teilnehmenden mit ihren Gastfamilien verstanden und wie aus der anfänglichen Zurückhaltung ein vertrauter und sehr fröhlicher Umgang entstanden ist. Auch dieser Abschied wird wohl recht tränenreich werden.