Sport ist oft die erste Form des Engagements junger Menschen. Sein inklusiver Charakter ermöglicht es, Kinder und Jugendliche mit sehr unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründen anzusprechen und einzubeziehen. Besonders durch die Corona-Pandemie herrscht ein enormer Nachholbedarf bei Sportbegegnungen. Sie bieten jungen Menschen die Möglichkeit, unvergessliche interkulturelle Erfahrungen zu sammeln und den europäischen Gedanken greifbarer zu machen. Wir haben Stefan Raid, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend (dsj), und Brigitte Henriques, Präsidentin des Comité national olympique et sportif français (CNOSF), zur Integration von jungen Menschen aus Krisengebieten wie der Ukraine und zu ihren Erwartungen an die Olympischen Spiele 2024 in Paris befragt.
Im Sportbereich sind der CNOSF und die Deutsche Sportjugend (dsj) langjährige Partner des DFJW. Dank des Plans zur Wiederaufnahme von Jugendbegegnungen gewinnt diese Partnerschaft mit Blick auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris noch mehr an Bedeutung. Welche Erwartungen haben Sie?
Stefan Raid: Es freut mich sehr, dass im Zusammenhang mit den Olympischen und Paralympischen Spielen 2024 in Paris die Zusammenarbeit mit DFJW und CNOSF wieder verstärkt werden konnte. Wir haben ein gemeinsames Ziel: die Wiederbelebung – insbesondere nach der langen Coronazeit – und den Ausbau und die Stärkung deutsch-französischer, aber auch trilateraler Jugendaustausche im Sport. Die Anziehungskraft von Paris 2024 kommt uns hier sehr gelegen. Die Erwartungen daran sind aber auch hoch. Wir wünschen uns am Beispiel von Deutschland und Frankreich die Motivation, das Potenzial und die Sensibilisierung für die internationale Jugendarbeit im Sport und auch die inklusive Jugendarbeit noch viel stärker voranzutreiben.
Brigitte Henriques: Die deutsch-französischen Sportbegegnungen sind eine schöne Tradition, um junge Menschen aus beiden Ländern einander näher zu bringen. Mit der Unterstützung des DFJW werden jedes Jahr fast 200 Sportbegegnungen zwischen Sportvereinen und -verbänden beider Länder organisiert. Leider hat die Covid-19-Pandemie diesen Austausch in den letzten zwei Jahren zum Stillstand gebracht. Mit dem Wiederaufnahmeplan wollen wir diese Begegnungen stärken. Dafür stellen wir auch mehr Geld zur Verfügung. Wenn die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris 2024 dazu beitragen, dass deutsch-französische und trilaterale Austauschmaßnahmen attraktiver sind und wieder vermehrt stattfinden, dann möchte der CNOSF diese Begegnungen auch über das Jahr 2024 hinaus fortsetzen. Die Projektausschreibung „2024 – Die deutsch-französische Flamme neu entfachen“ ist ein Leuchtturmprojekt dieses Wiederaufnahmeplans. Wir möchten damit innovative Projekte entwickeln und den Mitgliedsverbänden des CNOSF sowie den Regionalen Olympischen und Sportkomitees (CROS) entsprechende Mittel zur Verfügung stellen, damit sie Teil dieser Austauschdynamik werden können. Ich danke dem DFJW für seine Unterstützung bei unseren verschiedenen deutsch-französischen und trilateralen Aktivitäten. Damit können wir die Zahl an Teilnehmenden nachhaltig erhöhen.
Sportbegegnungen bieten jungen Menschen die Möglichkeit, unvergessliche interkulturelle Erfahrungen zu machen und den europäischen Gedanken greifbarer zu machen. Welche Begegnungen werden mit dem neuen Projektaufruf unterstützt?
Stefan Raid: Sämtliche Maßnahmen, die die Förderung der olympischen Werte in deutsch-französischen und trilateralen Austauschen in den Vordergrund stellen. Dazu gehören zum Beispiel Jugendbegegnungen für Kinder und Jugendliche bzw. junge Erwachsene zwischen 3 und 30 Jahren wie Jugendaustausche und deutsch-französische olympische Jugendlager. Aber auch Wettbewerbe, Ausstellungen, Seminare, Konferenzen und Tagungen, die deutsch-französische Freundschaft in den Fokus rücken, gehören dazu. Weiterfassend zählen dazu aber auch Forschungs- oder Studienprojekte oder Arbeitsmaterialien zu olympischen Werten im deutsch-französischen Austausch.
Wir erhoffen uns zudem zahlreiche Projekte für Multiplikator*innen der Jugendarbeit im Sport, um langfristig deutsch-französische Jugendbegegnungen in den Strukturen des organisierten Sports zu etablieren. Das kann mit Fachkräftebegegnungen, Partnertagungen und Partnerbörsen unserer Mitgliedsorganisationen für ihre eigenen Vereine und Verbände oder Schulungsmaßnahmen und Fortbildungen für Multiplikator*innen gelingen.
Brigitte Henriques: Die Projektausschreibung soll unsere Zielgruppe erweitern und über die Mitgliedsverbände des CNOSF und der CROS den Aufbau neuer Partnerschaften und innovativer Projekte anregen. Besondere Aufmerksamkeit schenken wir Projekten, die es jungen Menschen erleichtern, sich in Vereinen und Verbandsstrukturen zu engagieren. Mit der territorialen Vernetzung im Sport in Deutschland und Frankreich wollen wir regionalen und lokalen Akteuren beider Länder die Möglichkeit geben, leichter Kontakte zu knüpfen. Dafür eignen sich besonders Informationsveranstaltungen, Ausbildungsprogramme und Studienreisen.
Sport ist oft die erste Form des Engagements junger Menschen. Sein inklusiver Charakter ermöglicht es, Jugendliche mit sehr unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründen anzusprechen und einzubeziehen. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine: Wie werden junge Geflüchtete in Sportvereine integriert?
Stefan Raid: Der große Vorteil des Sports ist es, dass er oft ohne Sprache auskommt, dass die Spielregeln auch in den Herkunftsländern bekannt sind und somit Kinder und Jugendliche über das gemeinsame Spielen, Bewegen und Sporttreiben schnell in Kontakt kommen und traumatische Erlebnisse von Flucht und Verfolgung für einen Moment vergessen können. In zahlreichen Sportvereinen wird die Integration bereits seit Jahrzehnten gelebt und praktiziert. Das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ hat hier hervorragende Weichen gestellt, nicht nur für die Kinder aus der Ukraine, sondern auch aus allen anderen Krisengebieten. Diese werden mit hohem – vor allem ehrenamtlichen und persönlichem Engagement auch jetzt deutschlandweit genutzt. Vereine, Trainer*innen und Übungsleiter*innen öffnen ihre Angebote für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen oder schaffen neue niedrigschwellige Zugänge.
Was planen Sie in diesem Zusammenhang für die Sportbegegnungen in Paris 2024?
Brigitte Henriques: Während der Olympischen Spiele im Jahr 2024 planen wir ein Treffen von jungen Menschen aus Deutschland und Frankreich, bei dem es um die Werte des Olympismus gehen wird. Die Teilnehmenden, von denen die meisten bereits in Sportstrukturen aktiv sind, können sich so noch mehr engagieren und über das Thema diskutieren. Auch andere Sportakteure in Deutschland und Frankreich werden dieses Konzept übernehmen, um junge Menschen an sich zu binden. Mit der finanziellen Unterstützung von Sportverbänden, CROS und Vereinen können kostengünstige Austauschprojekte umgesetzt und junge Menschen mit unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründen gefördert werden, die bereits Mitglieder in Sportvereinen und -verbänden sind. Für einige wird ein deutsch-französischer Austausch übrigens die erste internationale Erfahrung sein.
Quelle: Deutsch-Französisches Jugendwerk