„Mehr in „zielgruppengenauere“ Bewegungs- Bildungs- und Beteiligungsräume für junge Menschen investieren!“

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Vielfalt statt Einfalt - Jugendkulturen im Spiegel der aktuellen SINUS-Studie 2024

Die Besonderheit der SINUS-Studien ist, dass sie aufzeigen, dass es nicht die eine Jugend oder den einen Jugendlichen gibt. Vielmehr existieren unterschiedliche Jugendkulturen nebeneinander, die stark von soziokulturellen und sozioökonomischen Hintergründen beeinflusst sind. Diese Studien stellen die vielschichtigen und teilweise widersprüchlichen Perspektiven junger Menschen heraus und unterstreichen die Notwendigkeit, die Jugend als heterogene Gruppe zu betrachten. An alle, die laut schreien, „DIE Jugend ist respektloser, nachhaltiger oder fauler geworden“ – so einfach ist es nicht, denn junge Menschen sind sehr unterschiedlich. 

Die Deutsche Sportjugend hat sich die Ergebnisse der aktuellen SINUS-Jugendstudie näher angeschaut, zentrale Kernaussagen festgehalten und sich gefragt: Was bedeuten diese unterschiedlichen Interessen eigentlich für den organisierten Kinder- und Jugendsport? Soviel wird erneut klar: Sportvereine müssen unterschiedliche Angebote setzen, abhängig vom Standort (Stadt oder Land) und abhängig der vielschichtigen Bedürfnisse junger Menschen und ihrer Herkunft. 

Die SINUS-Studie hält fest: Viele Jugendliche in Deutschland leben für sich den Entwurf einer „bürgerlichen Normalbiographie“ (Dr. Calmbach, Geschäftsführer des SINUS-Instituts) und behalten wie viele andere Generationen zuvor trotz bestehender Krisen einen grundoptimistischen Blick auf ihre Zukunft. Die meisten Jugendlichen fühlen sich wohl und haben Sorgen oft bezüglich typischer Themen des Erwachsenwerdens, wie den Übergang ins Berufsleben oder die Selbstfindung. Viele Jugendliche sehnen sich nach mehr Unabhängigkeit bei der persönlichen Entfaltung. Sie halten an traditionellen Werten wie Sicherheit, Halt, Treue und Geborgenheit fest und legen gleichzeitig zunehmend Wert auf Toleranz gegenüber Diversität und neuen Rollenbildern. Themen wie Klimawandel und Diskriminierung sind für sie von großer Bedeutung, und viele haben bereits eigene Diskriminierungserfahrungen in der Schule erlebt. 

Junge Menschen beklagen die mangelnden Gestaltungsmöglichkeiten in Schulen. Besonders im Sportunterricht machen viele negative Erfahrungen, wie Mobbing und Ausgrenzung bei schlechter Leistung, insbesondere im Mannschaftssport. Trotz dieser Herausforderungen wird der Schulsport als wichtiger Ausgleich angesehen, wobei der Bedarf an Verbesserungen deutlich hervorgehoben wird. 

Die Möglichkeit, gehört zu werden, ist für fast alle Jugendlichen von großer Bedeutung, besonders für Mädchen. Die aktive Mitsprache und Mitgestaltung sind jedoch stark vom eigenen Selbstvertrauen abhängig. Die befragten Jugendlichen zeigen eine hohe Sensibilität für Ungerechtigkeiten im (Profi)Sport und wünschen sich mehr Möglichkeiten, ihre Anliegen zu äußern und Einfluss zu nehmen. Die Mehrheit der Jugendlichen, unabhängig von ihren Lebenswelten, möchte sich mitteilen und Gehör finden – sei es in der Familie, im Sportverein, in der Jugendgruppe oder in religiösen Gemeinschaften. Wenn es jedoch um Mitbestimmung und aktive Mitgestaltung geht, sind die Meinungen kontrovers und stark von den individuellen Lebenswelten geprägt. Die Gründe, warum Jugendliche sich gegen eine aktive Mitbestimmung entscheiden, sind vielfältig: Mangel an Erfahrung und Wissen, Unsicherheit und Angst, wenig Interesse und Erwachsene als Barriere, die sie nicht ernst nehmen. Trotz dieser Hindernisse sind viele Jugendliche der Ansicht, dass sie am ehesten in einem geschützten Rahmen oder im persönlichen Nahbereich etwas bewirken können.  

Leitfrage für den organisierten Sport: Sollten also nicht Erwachsene, Bildungsinstitutionen und -partner, Schulen, Kitas und Sportvereine, mehr tun, um jungen Menschen Möglichkeiten und Räume für Beteiligung und Gestaltung zu geben, sie ernst nehmen, demokratische Werte und Bildung vermitteln, ihr politisches Interesse wecken und zeigen, dass ihr Handeln wirken kann?  

Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle im Leben der Jugendlichen. Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube werden intensiv genutzt. Die Vorteile der Informationsaufbereitung in sozialen Medien sind aus Sicht der Jugendlichen ihre Aktualität, gute Verständlichkeit und der Unterhaltungswert. Neben den positiven Aspekten gibt es auch erhebliche Nachteile, die Jugendlichen bewusst sind, z. B. Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit. Viele Jugendliche sehen die Auswirkungen ihres Social-Media-Konsums kritisch. Sie empfinden, dass sie zu viel Zeit in sozialen Medien verbringen, was zu Zeitverschwendung, Reizüberflutung, Suchtverhalten und Stress führt. Vergleichsdruck und Selbstbild: Der Vergleich mit geschönten Darstellungen im Internet kann negative Folgen für das Selbstbild und die Psyche haben. 

Leitfrage für den organisierten Sport: Können Sportvereine bzw. Bewegung und Sport die Aufgabe und Rolle haben, jungen Menschen einen weitestgehend Social Media-freien Ort zu geben, um den negativen und unreflektierten Vergleichsdruck herauszunehmen und ein gesundes Körperbild zu entwickeln? 

Bewegung und Sport sind ein absoluter Allrounder für die meisten jungen Menschen. Ihnen ist Sport extrem wichtig, für die mentale Stärke, für das Gruppengefühl, zum Stressabbau, für die Gesundheit und ihr Wohlbefinden! 

Bewegung und Sport – egal ob gemeinsam oder alleine ausgeübt, in der Natur oder im Verein – ist für viele junge Menschen essenziell. Krafttraining und Fitnessübungen zählen geschlechter-übergreifend zu den beliebtesten sportlichen Aktivitäten. Neben diesen Disziplinen sind auch Radfahren, Joggen, Schwimmen, Volleyball und Tischtennis populär. Während Fußball, Basketball und Kampfsport nach wie vor eher Jungendomänen sind, interessieren sich auch einige Mädchen zunehmend für diese Sportarten. Es wird deutlich, dass Jugendliche gerne verschiedene Sportarten ausprobieren. Neben Mainstream-Sportarten wie Fußball, Basketball, Volleyball und Schwimmen, haben auch Rand- und Lifestylesportarten wie American Football, Skaten, Hip-Hop und Yoga ihren festen Platz. Besonders hervorzuheben ist, dass Mainstream-Sportarten das Potenzial haben, Jugendliche aus unterschiedlichen Lebenswelten zu verbinden und gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. 

Sport- und Bewegungsstätten sind für Jugendliche wichtige Orte der Begegnung und des Zusammenkommens. Die Jugendlichen schätzen besonders die Möglichkeit, mit Freund*innen zusammenzukommen und neue Bekanntschaften zu schließen. Gute Ausstattung und Beschaffenheit der Trainingsstätten tragen wesentlich zum Spaß an der Bewegung bei. Besonders Outdoor-Aktivitäten wie Joggen, Reiten, Fahrradfahren und Schwimmen im See werden wegen der Freiheit und der positiven Naturerlebnisse geschätzt. Es mangelt jedoch oft an hochwertigen und frei zugänglichen Sport- und Bewegungsmöglichkeiten, besonders im ländlichen Raum. Viele der existierenden Sport- und Bewegungsstätten sind in schlechtem Zustand, was die Jugendlichen als hinderlich empfinden. Jugendliche halten sich gerne an verschiedenen Orten auf, um aktiv zu sein. Beliebte Outdoor-Aktivitäten finden auf dem Sportplatz, im Stadtpark, in der Natur (Wald, See) und auf den Straßen (z.B. Inlinern) statt. Indoor sind Fitnessstudios, Sporthallen und Schwimmhallen die bevorzugten Bewegungsorte. Auch Funsport-Locations wie Skateparks, Kletterparks und Sprunghallen sind beliebt. Zu Hause nutzen viele Jugendliche ihren Garten oder ihr Zimmer für Yoga und Workouts. 

Die Wahl der Bewegungsorte und die Häufigkeit der sportlichen Aktivität variieren je nach Lebenswelt. Jugendliche, die auf dem Land leben, beklagen oft die weite Entfernung zu Sportstätten, Fitnessstudios oder Schwimmbädern. In Städten mangelt es hingegen an Parks, Grünflächen und Freiluft-Gyms. Viele Jugendliche äußern auch Kritik am Schulsport, der oft als langweilig und wenig abwechslungsreich empfunden wird. Es gibt zu wenig Sportunterricht und Sportangebote jenseits des Klassensports. 

Leitfrage für den organisierten Sport: Sollten Sportvereine und Kommunen nicht gemeinsam viel stärker daran arbeiten, vielfältige Bewegungs- und Begegnungsorte zu schaffen? 

Etwa zwei Drittel der befragten Jugendlichen waren Mitglied in einem Sportverein, den sie wieder verlassen haben. Hauptgründe für den Ausstieg sind sich ändernde (Sport-)Interessen, mangelndes Zugehörigkeitsgefühl, schlechte Beziehungen zum Trainer, Zeitknappheit und gesundheitliche Probleme. Auch die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass Jugendliche nach der erzwungenen Auszeit die Motivation verloren haben, das Training wieder aufzunehmen. 

Mitbestimmung im Sportverein, die eigene Meinung einzubringen und mitzugestalten, etwa bei der Planung von Trainingsinhalten und Turnierteilnahmen, ist im Sportverein möglich. Dies steht im Gegensatz zum Schulsport, wo Mitbestimmungsmöglichkeiten als geringer empfunden werden. 

Jugendliche berichten häufiger über Ungerechtigkeiten im Schulsport als im Sportverein. Dabei werden vor allem mangelnde Medienpräsenz und ungleiche Bezahlung im Frauensport, Diskriminierung von Homosexuellen, Sexismus und die unfaire Behandlung von Schiedsrichter*innen kritisiert. 

Fazit: Sport und Bewegung spielen eine zentrale Rolle im Leben der Jugendlichen und sind wichtige Faktoren für ihr Wohlbefinden. Trotz unterschiedlicher Lebenswelten und Beweggründe teilen viele Jugendliche die Freude an der sportlichen Betätigung und nutzen sie als Mittel zur Stressbewältigung, zur Förderung der Gesundheit und zum Aufbau sozialer Kontakte. Der Wunsch nach gut ausgestatteten Sportstätten und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten bleibt dabei ein zentrales Anliegen. 

Die SINUS-Jugendstudie gibt seit 2008 alle vier Jahre einen aktuellen Einblick in die vielfältigen Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen (Sinus-Jugendmilieus). Interviews, fotografische Dokumentationen des Wohnumfelds und Selbstzeugnisse der Jugendlichen (z. B. Collagen über den Sinn des Lebens) vermitteln ein Verständnis der Lebensphase. Die diesjährige Studie wurde beim SINUS Institut in Auftrag gegeben und finanziert von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung/DKJS, der DFL Stiftung, des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend/BDKJ und der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz. 

Im Fokus der diesjährigen Jugendstudie stehen neben Werteorientierungen, Interessen und Zukunftsvorstellungen folgende Themen: Umgang mit politischen Krisen, soziale Ungleichheit und Diskriminierung, Engagement und Beteiligung, Lernort Schule, Mental Health, Sinnsuche und Spiritualität in Social Media, Umgang mit Fake News, Geschlechtsidentität und Rollenerwartungen, Sport und Bewegung.  


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