Mehr BEWEGUNG möglich machen – Engagiert im Kinder- und Jugendsport

Foto: Michael Reichel/DOSB

Ein Interview mit Kerstin Holze

Kerstin Holze ist seit Ende 2021 Vizepräsidentin des DOSB. Als Kinderärztin und langjährige Vorsitzende der Deutschen Kinderturnstiftung engagiert sie sich im deutschen Sport insbesondere für das Recht auf eine bewegte Kindheit. Mit großem Engagement unterstützt sie den von dsj und DOSB geforderten Bewegungsgipfel, da in ihren Augen für ein bewegtes Leben in jedem Alter Sport und Bewegung neugedacht werden müssen.

Mit einem Interview über Kerstin Holzes Engagement im organisierten Sport, das seinen Ursprung im Kinder- und Jugendsport hatte und im Jugendverband begann, startet die dsj eine Interviewreihe mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten und deren Engagement in den Kinder- und Jugendsportstrukturen.

1. Du warst schon früh im Juniorteam engagiert, viele Jahre in der Turnerjugend und in der Sportjugend Hessen engagiert und bist auch aktuell Vorsitzende der Deutschen Kinderturnstiftung. Erzähl uns doch mal von deinem Engagement im Kinder- und Jugendsport. Wie kam es dazu? Was sind oder waren deine Schwerpunkte und wieso war und ist dir dieses Engagement so wichtig?. 

Ein Schwerpunkt meines Engagements im Kinder- und Jugendsport, insbesondere als Vorsitzende der Deutschen Kinderturnstiftung, ist das Recht auf eine bewegte Kindheit für alle Kinder. Ich setzte mich für eine Politik ein, die Sport und Bewegung als unverzichtbaren Bestandteil eines gesunden ganzheitlichen Aufwachsens in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit rückt. Es ist die Verantwortung von uns allen, vor allem der Erwachsenen, unseren Kindern ein bewegtes und somit gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. Eine bewegte Kindheit muss jetzt stattfinden. Sie lässt sich nicht verschieben, weil gerade Pandemie, eine finanziell schwierige Zeit oder Energiekrise ist.

Zum Ehrenamt gekommen bin ich aber über ein anderes Thema. Stefan Haid, der damalige Vorsitzende der Sportjugend Hessen, der bis zu meinem Abi gleichzeitig auch mein Mathe-LK-Lehrer war, hat mich angesprochen. Im Sommer 1999 war kurzfristig die Betreuung des deutsch-japanischen Simultanaustauschs vakant. Er wusste, dass ich im Nach-Abi-Sommer noch freie Zeit hatte und konnte mich ganz schnell überzeugen, als Betreuerin des Simultanaustauschs mitzumachen. 
 

2. Warum sind aus deiner Sicht die Jugendorganisationen im Sport so wichtig? 

Es ist im Sport wie in der Medizin: Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen Organisationen und Expertinnen und Experten, die sich mit den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen in ihrer jeweiligen Altersgruppe auskennen.
Über die Berücksichtigung spezifischer Kinder- und Jugendinteressen hinaus, sind Jugendverbände ein wichtiger Lern- und Erfahrungsraum für Heranwachsende. Hier erfahren sie Selbstwirksamkeit, lernen Verantwortung zu übernehmen und Demokratie zu leben.
 

3. Du bist mittlerweile im DOSB-Präsidium, bist also vom Jugendverband zum Erwachsenen-Verband gewechselt. Wie ist dieser Perspektivwechsel für dich? 

Als Vorsitzende der Deutschen Turnerjugend war ich fast 10 Jahre lang Mitglied des DTB-Präsidiums und habe mich dort immer auch als Teil des Gesamtverbandes verstanden. Die Arbeit im „Erwachsenen-Verband“ ist für mich daher nicht völlig neu, aber es ist doch nochmal eine ganz andere Dimension der ehrenamtlichen Arbeit im Sport.
 

4. Wie kannst du in deiner aktuellen Rolle auch die Jugendverbände im Sport stärken?

In dem ich versuche das umsetzen, was ich auch als Vorsitzende eines Jugendverbandes immer gefordert habe: Eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit dem Blick und dem Verständnis für die unterschiedlichen Aufgaben und Rahmenbedingungen.
 

5. Du unterstützt den von der dsj initiierten Bewegungsgipfel im Bundeskanzleramt. Wieso ist dir dieses Anliegen auch so wichtig? 

Sport und Bewegung sind ein wichtiger Baustein für das psychische und physische Wohlbefinden jedes Einzelnen. Für ein bewegtes Leben in jedem Alter müssen wir Sport und Bewegung neu denken. Wir brauchen – gerade in der Zusammenarbeit mit der Politik – einen Paradigmenwechsel. Wir müssen Sport und Bewegung als Querschnittsaufgabe verstehen, die über alle Ministerien und Ressorts hinweg eine Rolle spielen. 
Der Bewegungsgipfel ist dabei ein erstes wichtiges Signal, dass Sport jeden und jede etwas angeht. Von der Stadtplanung bis zur Reform der Erzieherinnenausbildung muss immer auch die Frage beantwortet werden „Zahlt dies auf unser gemeinsames Ziel einer bewegten Gesellschaft ein“.
 

6. Du bist Kinderärztin, Mutter und ehrenamtlich im Sport engagiert. Inwiefern helfen dir diese unterschiedlichen Perspektiven?

Als Kinderärztin u.a. mit dem Schwerpunkt krankhaftes Übergewicht habe ich jeden Tag mit den Folgen mangelnder Bewegung bei Kindern und Jugendlichen zu tun. Als Mutter weiß ich um die Herausforderungen, täglich Bewegung und Sport in den Familienalltag zu integrieren.
Mit diesen Erfahrungen im Gepäck versuche ich im politischen Raum für unsere gemeinsamen Anliegen im Sport Gehör zu finden, Einfluss zu nehmen und Veränderungen herbeizuführen.
 

7. Welche Rolle spielen aus deiner Sicht Engagement und Ehrenamt bei der Bewegungsförderung von Kindern und Jugendlichen?

Ohne das Ehrenamt wäre der Sport in Deutschland so nicht möglich. Ohne unsere über 8 Mio. Ehrenamtlichen im Sport, vom Hallenwart, über den Finanzvorstand bis zur Übungsleiterin würden wir nicht so eine vielfältige und bunte Sportvereinslandschaft in Deutschland haben und die Gesellschaft in Bewegung bringen können. Das ist nicht selbstverständlich. Wir müssen immer wieder die Rahmenbedingungen überprüfen, auch in Verein und Verband, um attraktiv gerade für junge Menschen zu bleiben.. 

8. Im Oktober findet auf der dsj-Vollversammlung eine Vorstandswahl statt – was willst du (potenziellen) Bewerber*innen für einen Posten im dsj-Vorstand mit auf den Weg geben?

Mach es – und freue dich darauf!
Es wird dich Zeit und Nerven kosten und es wird auch immer wieder Momente geben, an denen deine Freunde im Schwimmbad liegen, während du dich in endlosen Sitzungen fragst „Warum mache ich das eigentlich“.
ABER du wirst hier Freunde fürs Leben finden (oder wie ich sogar den Mann fürs Leben), du wirst deinen Horizont und deine Persönlichkeit in ungeahnte Richtungen weiterentwickeln – und vor allem du darfst und kannst diese Gesellschaft aktiv mitgestalten! 


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