Bewegung und Sport im Verein sind grundlegend für das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Hier können junge Menschen aktiv in Bewegung kommen und – im besten Falle – lebenslang gehalten werden. Außerdem erfahren Heranwachsende in den Vereinen eine haltgebende Gemeinschaft. Neben dem Sport selbst hat auch das ehrenamtliche Engagement eine positive Wirkung auf die psychische Gesundheit (junger) Menschen.
Psychische Erkrankungen: Die junge Generation ist am häufigsten betroffen
Etwa 80 % aller psychischen Erkrankungen beginnen in Kindheit, Jugend und jungem Erwachsenenalter. Die Häufigkeit psychischer Erkrankungen folgt dabei einem sozialen Gradienten: Junge und sozial schlechter gestellte Menschen sind öfter betroffen. Runtergebrochen auf Vereinsgruppen im Sport heißt das: Von den durchschnittlich zwölf Kindern oder Jugendlichen in einer Sportgruppe sind etwa zwei von psychischen Erkrankungen betroffen, während weitere ein bis zwei psychisch kranke Eltern oder Geschwistern haben. Häufige Begegnungen mit psychischen Krisen und Belastungen im Engagement und Vereinsalltag sind daher keine Seltenheit.
Wohlfühlen im Engagement macht glücklich: Schutzfaktoren fördern
Zahlreiche Studien zeigen, dass Mitglieder in Sportvereinen zufrieden(er) mit ihrem Leben sind. Das Engagement im Verein wird als sinnstiftend erlebt und stärkt das Selbstwertgefühl. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und der langen Bildschirmnutzungszeit von jungen Menschen bildet das Engagement im Sportverein ein Gegengewicht: Hier können soziale Kompetenzen in der Gemeinschaft trainiert und positive Körpererfahrungen gemacht werden. Zugleich erfahren Engagierte Selbstwirksamkeit.
Damit das Wohlfühlen sowohl im Engagement als auch in jedem Training gelingt, ist es nützlich, über Schutzfaktoren für die psychischen Gesundheit Bescheid zu wissen. Dazu gehören ein wertschätzendes und unterstützendes Klima im Verein, das Wissen um und die Vernetzung mit professioneller Hilfe, Beratungsangebote in Verein, Kommune und Landkreis sowie Fortbildungen für Engagierte und Hauptamtliche. Ziel dessen ist es, ein positives Verständnis von psychischer Gesundheit zu entwickeln, psychische Belastungen bei Heranwachsenden früh zu erkennen, ihr Hilfesuchverhalten zu verbessern und sie so lang wie möglich im Engagement und Sportverein zu halten.
Warnsignale und jugendtypische Bewältigungsstrategien kennen
Psychische Krisen sind oft schwer zu erkennen, weil sie den ganzen Menschen betreffen, also sein Fühlen, Denken und Verhalten. Zudem sind sie immer noch mit Scham- und Schuldgefühlen behaftet und werden häufig nicht thematisiert.
Psychische Probleme äußern sich auf vielfältige Weise: Verhaltensänderungen wie Rückzug, Leistungsabfall oder Stimmungsschwankungen können ebenso Anzeichen sein wie Sorgen, Ängste, negative Gedanken oder psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen. Besonders bei jungen Menschen, die viele Entwicklungsaufgaben meistern müssen, können diese Symptome auftreten. Jugendtypische „Bewältigungsstrategien“ für psychische Krisen sind unter anderem Rückzug, Leistungseinbrüche, Selbstverletzung, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie Hoffnungs- und Antriebslosigkeit. All die genannten Strategien sind kein guter Weg, um Probleme zu bewältigen. Sie vergrößern die Probleme nur.
Positives Verständnis von psychischer Gesundheit hilft beim Gesundwerden
Um wieder gesund zu werden, brauchen Heranwachsende Erwachsene mit einem positiven Verständnis von psychischer Gesundheit. Das heißt konkret …
- junge Menschen zu entlasten und ihnen zur Seite stehen,
- ihnen Mut und Hoffnung zu machen,
- über professionelle Hilfe Bescheid zu wissen,
- ein gesundförderliches Klima in Familie, Schule, Sport und überall dort, wo Heranwachsende sind, zu fördern und mit gutem Beispiel voranzugehen.
Auf junge Engagierte zugehen
Für Multiplikator*innen im Sport ist es also grundlegend, einen passenden Umgang mit psychischen Krisen zu finden. Dieser erfordert sensible Gesprächsführung und eine unterstützende Haltung. Es ist wichtig, sich auf das Verhalten belasteter junger Menschen zu konzentrieren, nicht auf deren Person. Zum Beispiel könnte formuliert werden: „Mir ist aufgefallen, dass es dir schwerfällt, dich so wie früher zu engagieren“, anstatt zu sagen: „Du bist doch mit deinem Kopf ganz woanders.“
Aktives und aufmerksames Zuhören ist entscheidend: Ein offenes Gesicht, Blickkontakt und ein respektvolles Zusammenfassen der Gedanken der jungen Menschen tragen dazu bei, Vertrauen aufzubauen. Es ist wichtig, den Heranwachsenden zu zeigen, dass Verständnis für ihre Situation besteht. Beschönigende oder herabsetzende Aussagen wie „Das ist doch alles nicht so schlimm“ sollten vermieden werden, da sie die Probleme bagatellisieren könnten.
Hilfesuchverhalten verbessern. Prävention im Verein stärken
Bei physischen und psychischen Krankheiten gilt gleichermaßen: Je früher abgeklärt wird, um welche Beschwerden es sich handelt, desto höher sind die Heilungschancen. Deshalb ist es (über-)lebenswichtig, über Warnsignale psychischer Krisen und professionelle Hilfen Bescheid zu wissen. Zuhause, in der Schule, in der Kinder- und Jugendfreizeit und im Sportverein sollte das Thema mentale Gesundheit samt Bewältigungsstrategien und Ansprechorten immer wieder angesprochen werden. Das gehört wie das ABC oder das kleine Einmaleins ganz natürlich zu unserem Lebenswissen – denn psychische Krankheiten kommen in den besten Familien vor!
Der Vereinssport bietet beste Chancen für Prävention und Gesundheitsförderung. Deshalb hat Irrsinnig Menschlich e.V. 2022 das Präventionsprogramm "Psychisch fit im Sportverein" entwickelt. In Workshops und Fortbildungen lernen Multiplikator*innen im Sport wie sie psychische Probleme bei jungen Menschen erkennen und ansprechen können, wie sie helfen können und wie sie psychisches Wohlbefinden im Verein fördern können.
Kurz: Psychische Krisen verhindern, verstehen, erkennen, ansprechen, bewältigen. Prozesse zur Gesundheitsförderung im Kinder- und Jugendsport anstoßen. Psychisches Wohlbefinden fördern – dafür engagiert sich Irrsinnig Menschlich e.V. seit seiner Gründung im Jahr 2000. www.irsinnig-menschlich.de