Freiwilligendienste bleiben freiwillig - Das FSJ im Sport wird 20

Ein Kommentar von Dr. Jaana Eichhorn zu 20 Jahren Freiwilligendienste im Sport und der Diskussion über einen Pflichtdienst

Ein verpflichtendes soziales Gesellschaftsjahr für alle jungen Menschen in Deutschland –unabhängig von Geschlecht oder Staatsbürgerschaft – steht derzeit hoch im Kurs. 75 Prozent aller Deutschen befürworten laut einer civey-Studie die Dienstpflicht. Ziel ist es, junge Menschen zu einem Dienst für die Gemeinschaft zu verpflichten, Gemeinsinn zu sichern und für Engagement zu begeistern. Aber ob durch Zwang wirklich Engagement entstehen kann? Die Anbieter der Freiwilligendienste (auch im Sport) reiben sich verwundert die Augen: Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und der Bundesfreiwilligendienst (BFD) bieten schon heute das, was von einem Gesellschaftsjahr erwartet wird. Einen Ort, um sich unabhängig von Geschlecht, Schulbildung oder Nationalität ein Jahr lang freiwillig zu engagieren, begleitet von Seminaren und einer pädagogischen Begleitung, die Demokratiestärkung neben dem Kompetenzerwerb als oberste Maxime sieht, gibt es im Freiwilligendienst bereits. Allein im Sport unterstützen Jahr für Jahr mehr als viertausend junge Freiwillige Vereine oder Verbände und bringen Kinder und Jugendliche in Bewegung. Insgesamt ist es jeder zehnte eines Jahrgangs, der sich schon heute freiwillig engagiert.

Dass es nicht viel mehr junge Freiwillige sind, liegt bislang auch an den Finanzen. Viele Sportvereine bieten keine Plätze an, weil sie die Gelder für Taschengeld und Koordination nicht aufbringen können. Viele Schulabgänger*innen ziehen einen Freiwilligendienst gar nicht ernsthaft in Erwähnung, weil das Taschengeld tatsächlich nicht mehr ist als ein Taschengeld und der Lebensunterhalt weiterhin von den Eltern zu zahlen ist.
Die Sportverbände, die die Plätze koordinieren, stehen hier vor einem Dilemma. Heben sie das Taschengeld an, steigt die Zahl potentieller Freiwilliger, aber die kleineren Vereine können sich Freiwillige nicht mehr leisten. Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer neuen Studie vorgerechnet, dass man die Zahl der Freiwilligen mit einer Änderung der Rahmenbedingungen verdreifachen könnte. Dadurch könnte ein Drittel eines Jahrgangs für ein „freiwilliges Gesellschaftsjahr“ gewonnen werden. Auch wenn dafür finanzielle Mittel notwendig sind, es würde sehr viel günstiger als die acht bis elf Milliarden Euro, die für die Einführung eines Pflichtdienstes prognostiziert werden. Die erwartete Auseinandersetzung vor dem Bundesverfassungsgericht würde genauso entfallen wie die Empörung junger Menschen, die ihre eigenen Zukunftsentscheidungen treffen wollen. Stärkung von Gemeinsinn und Eigenverantwortung, Unterstützung der Gemeinschaft und die langfristige Begeisterung für ehrenamtliches Engagement kommen quasi gratis hinzu.
Die Befürworter*innen einer Dienstpflicht sollten vor diesem Hintergrund ihre Motivation noch einmal prüfen und überdenken, ob mit den bestehenden Strukturen der Freiwilligendienste nicht bereits ein zukunftsfähiges Modell besteht, das es auszubauen und zu stärken gilt.
Die Freiwilligendienste im Sport aber werden ihren Weg gehen. Seit 20 Jahren gibt es das FSJ im Sport, 2011 kam der BFD hinzu. Freiwillige, Einsatzstellen, Verbände, Politik und Gäste feierten auf Einladung der Deutschen Sportjugend am 8. und 9. Juni 2022 gemeinsam das Jubiläum in Wittenberge und stellten dabei die Weichen für eine Zukunft der Freiwilligendienste im Sport. Ziel bleibt, noch deutlich mehr jungen Menschen ein Jahr des Engagements, der Demokratie, der persönlichen Weiterentwicklung und des Sports zu ermöglichen.

Dr. Jaana Eichhorn
Bundestutorat Freiwilligendienste bei der Deutschen Sportjugend

Quelle: DOSB-Presse 24/2022


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