Fit für die Zukunft – Bildung für nachhaltige Entwicklung in Sportvereinen

Quelle: Karen Petry, Petra Giess-Stueber (privat)

Ein Kommentar von Prof. Dr. Petra Gieß-Stüber und Dr. Karen Petry

Zukunftsszenarien sagen voraus, dass vor allem Teile des Südpazifiks und Teile von Afrika südlich der Sahara absehbar aufgrund von Dürre keine bespielbaren Sportfelder mehr haben werden. Bis 2030 könnten rund 20 Prozent aller Sportnationen nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen (Madeleine Orr, Sportökologin an der Universität Toronto). 

Auch bei uns sind schon jetzt viele Vereine ganz akut vom Klimawandel betroffen: Zum Beispiel leiden Sportler*innen und vor allem Kinder im Sommer auf dem Sportplatz an der Hitze bis sie „umkippen“ und in Rheinland-Pfalz findet das Zirkeltraining im Bürgerhaus statt, weil nach der Flutkatastrophe 2021 Schulturnhallen nicht nutzbar sind.  

Die Klimakrise bedroht unser Leben. Das Artensterben reißt tiefe Lücken in unsere Natur. Plastik verschmutzt unsere Ozeane. Konkurrenz um Ressourcen, Nationalismus, Imperialismus, Rassismus und zunehmende soziale Ungerechtigkeit provozieren (kriegerische) Auseinandersetzungen. Unsere Welt steht an einem Wendepunkt. Auch der Sport ist davon betroffen!  

Sport kann Treiber von Problemlagen im Kontext von Klimawandel, sozialer Ungleichheit, Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung sein. Er kann aber auch Kräfte zur Lösung globaler Herausforderungen freisetzen, wenn er Verantwortung gegenüber Natur, Mitmenschen und zukünftigen Generationen übernimmt. Sportvereine sind als Nonprofit-Organisationen des Dritten Sektors weder dem „Markt“ noch dem „Staat“ zugeordnet und definieren ihre Ziele selbst. Sportinteressierte schließen sich freiwillig und in eigener Verantwortung zusammen. Mitglieder erbringen Leistungen für Mitglieder. Insofern stellen Sportvereine eine Art „Selbsthilfeorganisationen“ dar, die von Solidarität, demokratischen Strukturen und Fürsorge geprägt sind. Diese konstitutiven Aspekte sind nicht immer präsent, wenn Vereinsmitglieder sich zum Sporttreiben zusammenfinden, für einen Wettkampf trainieren oder sich in geselliger Runde bei gesundheitsorientierten Bewegungsangeboten treffen. Die Charakteristik zeigt aber auf, dass Sportvereine auch wertvolle Bildungsorte sind. Humboldt ging davon aus, dass jeder Mensch einen inneren Drang verspürt, den Kreis seiner Erkenntnisse und seiner Wirksamkeit zu erweitern. Diesen Drang kann er nicht für sich allein, sondern nur in freier und reger Wechselwirkung mit der Welt befriedigen. Diese Wechselwirkung bildet für ihn den Kern des Bildungsprozesses.  

Der Sport bietet in diesem Sinne eine spezielle „Welt“ an, einen Sozialraum mit demokratischen Strukturen, in dem sich Menschen mit vielfältigen Lebensgeschichten freiwillig treffen, sich für ihren Verein und in ihrer Trainingsgruppe engagieren und sich als selbstwirksam erleben können. Jedes Mitglied kann erleben, dass die eigene Person wichtig für das Gesamtgefüge ist. Angesichts zunehmend polarisierter politischer Strömungen erscheint der Bedarf an Demokratiebildung immer drängender zu werden, um nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung zu gewährleisten. Im Sportverein ist es möglich, dass Heranwachsende ihre Ideen einbringen und an Diskursen und Entscheidungsprozessen teilnehmen. In einer solchen Gelegenheitsstruktur entwickeln sich Kompetenzen, die der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zugeordnet werden können. Ziel ist es, in dem Sinne die Zukunftsfähigkeit junger Menschen zu fördern, indem sie sich an der Entwicklung einer sozial gerechten, wirtschaftlich nachhaltigen, ökologisch verträglichen und demokratisch gesteuerten Gesellschaft beteiligen. 

In unserer Gesellschaft gibt es mehr Sportvereine (86.400 in 2023) als Schulen (im Schuljahr 2023/2024 in Deutschland 32.758 allgemeinbildende Schulen). Der DOSB ist eine der größten zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Deutsche Sportjugend ist der größte freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Sportliche Betätigung in der Freizeit boomt auch über das Engagement im organisierten Sport hinaus. Sport ist darüber hinaus in den Medien und in der Alltagskommunikation omnipräsent. Sportvereine haben damit die Chance, sich wirksam an nachhaltiger Zukunftsgestaltung zu beteiligen. Sie könnten dabei im Sinne des UNESCO-Programms Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) 2030 Bezüge zu den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen herstellen und wesentliche Kompetenzen vermitteln, die für eine gesellschaftliche Transformation im Sinne der Förderung nachhaltiger Lebensstile notwendig sind.  

Problembereiche globaler und nachhaltiger Entwicklung haben im Sportkontext besonders engen Bezug zur Lebenswelt der Heranwachsenden. In einem Zukunftsausschuss könnten z. B. engagierte Mitglieder Ideen entwickeln für nachhaltig organisierte Vereinsfeste oder für den Kauf fair produzierter Sportkleidung. Viele Vereine stehen vor dem Problem, eine umweltverträgliche Form von Kunstrasen zu finden, die zugleich wirtschaftlich erschwinglich ist. Ein typisches Spannungsfeld nachhaltigen Handelns. Wenn Entscheidungsprozesse breit kommuniziert und diskutiert werden, können Bildungsprozesse angestoßen werden, die über den Sport hinaus für zukunftsorientierte Entscheidungen qualifizieren. 

Ein zentrales Thema von BNE ist die Förderung des sozialen Zusammenhalts. Seit jeher wird der Sport als „sozialer Kit“ der Gesellschaft verstanden und zeigt immer wieder seine sozial-integrative Wirkung. Gezielte Programme fördern die Auseinandersetzung mit dem Abbau sozialer Ungleichheiten. In partizipativen Strukturen nehmen Heranwachsende wichtige Erfahrungen im Hinblick auf demokratische Politikgestaltung mit. Damit leistet der Sport einen wichtigen Beitrag zur Stärkung demokratischer Strukturen und gesellschaftlicher Teilhabe. Kinder und Jugendliche benötigen Wissen über globale Zusammenhänge, benötigen kritisches Urteilsvermögen und zukunftsorientierte Gestaltungskompetenz dringend, um auf aktuelle Herausforderungen lösungsorientiert reagieren zu können. Kinder und Jugendliche können dann ihren Sportverein als wichtige gesellschaftliche Institution ihrer Lebenswelt begreifen, wenn sie die Mitgestaltung ihrer Umwelt im Sinne einer Zukunftsorientierung aktiv (er)leben können.  

Sportvereine profitieren, wenn junge Mitglieder sich kritisch-konstruktiv an der Organisationsgestaltung mit Bezug zu Herausforderungen des globalen Wandels beteiligen.  

Verantwortliche könnten den Bildungsraum noch gezielter gestalten und den Bildungsanspruch viel deutlicher gegenüber den (politischen) Trägern kommunizieren.  

Das gelingt aber nur, wenn die Funktionsträger*innen, Trainer*innen, Übungsleiter*innen und weitere Ehrenamtliche selbst den Mehr-Wert einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Sportwelt erkennen und entsprechend qualifiziert sind. Damit Bildungsinhalte z. B. aus dem Bereich der Nachhaltigkeit in die vorhandenen Ausbildungslizenzen der Verbände aufgenommen werden, müssen zunächst die für die Ausbildungen zuständigen Träger sensibilisiert werden. Die Vorstände in den Sportverbänden müssen erkennen, dass Sportvereine wichtige Orte von zukunftsorientierter Bildung sind und sich auf sportpolitischer Ebene dafür einsetzen, dass sie in dieser Aufgabe strukturell und finanziell gestärkt werden.  

 


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