Der neue Koalitionsvertrag ist von CDU/CSU und SPD veröffentlicht und gibt die Richtung der bundespolitischen Vorhaben für die nächsten vier Jahre vor. Verschiedene Abstimmungsprozesse in den Parteien folgen nun und sollen nach Ostern zur Unterzeichnung des gemeinsamen Koalitionsvertrages und der anschließenden Regierungsbildung mit Benennung von Ministeriumsleitungen führen.
Für den Kinder- und Jugendsport bzw. die Arbeit von Jugendverbänden gibt es einige Entwicklungen. Verschiedene Punkte aus den Bereichen Jugend, Sport, Soziales, Verteidigung und Ehrenamt werden hier in einer ersten Übersicht herausgestellt. In vielen Punkten sind die konkreten Überlegungen zur Ausgestaltung und Umsetzung der Vorhaben noch nicht bekannt bzw. erfolgt.
Für ihre Familien, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie-Politik formulieren die Koalitionäre: „Wir stellen Familien in den Mittelpunkt, sorgen für gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, stärken die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen, unterstützen Seniorinnen und Senioren und verteidigen unsere Demokratie.“
Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP)
Das zentrale Finanzierungsinstrument des Bundes für die Kinder- und Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendplan des Bundes, aus dem dsj und ihre Mitgliedsorganisationen maßgeblich gefördert werden, soll in einem ersten Schritt um zehn Prozent besser ausstattet und anschließend die Finanzierung dynamisiert werden. Eine zentrale Forderung der dsj ist damit erfüllt und für die dsj muss es nun um den SportjugendEuro (1 Euro pro U27 Mitgliedschaft) gehen, um sich annähernd üblichen Fördersätzen anzunähern.
Auch will die Bundesregierung einen nationalen Kinder- und Jugendgipfel durchführen, um jungen Menschen Gelegenheit zu geben, ihre Anliegen zu artikulieren.
Freiwilligendienste
Freiwilligendienste sollen gestärkt, besser finanziert und überjährig gesichert werden. Damit wird einer Kernforderung der dsj und dem Verbund des Bundesarbeitskreises FSJ entgegenkommen. Eine Passage mit Nennung der Freiwilligendienste (im Sport/Ehrenamts-Abschnitt) erstaunt mit der Aussage, es soll eine „bessere Förderung des Taschengelds im FSJ“ geben. Aktuell ist die Förderung des Taschengeldes keine Bundesaufgabe/-leistung und liegt entsprechend bei null Euro.
Die dsj in ihrer Rolle als Zentralstelle zur Weiterleitung der entsprechenden Fördermittel des Bundes in den Freiwilligendiensten wird ihre Mitgliedsorganisation dazu auf dem Laufenden halten.
Zudem soll ein Freiwilligendienst Bevölkerungsschutz implementiert werden, in den Modellprojekte des freiwilligen Handwerksjahres gemeinsam mit den Handwerkskammern integriert werden sollen. Wie der zugesagte neue Bundesfreiwilligendienst (BFD) im Katastrophenschutz aussehen wird, ist noch unklar, denn ein Bundesfreiwilligendienst etwa beim Technischen Hilfswerk (THW) existiert bereits. Eventuell wird es hier weitere Kontingente für den Bereich geben, was im Optimalfall die anderen Bereiche entlastet und Kontingente freigibt. Das freiwillige Handwerksjahr ist zudem aktuell als Modell ein Langzeitpraktikum und würde eine Neufassung des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG) erfordern.
Wehrpflicht
Eine Wehrpflicht wird vorerst nicht eingeführt.
Der neue Wehrdienst – basierend auf dem vom geschäftsführend im Amt befindlichem Verteidigungsminister Pistorius vorgeschlagenen schwedischen Modell – soll attraktiv ausgestattet werden. Die Voraussetzungen für „Wehrerfassung“ und „Wehrüberwachung“ sollen noch dieses Jahr geschaffen werden. Eventuell ergibt sich hier die Möglichkeit, dies mit Bausteinen des von der dsj geforderten Rechtsanspruchs auf einen Freiwilligendienst zusammenzubringen (Brief an alle 17-Jährigen).
Festzuhalten bleibt: die Freiwilligkeit bei Diensten bleibt erhalten, die Freiwilligendienste sind mehrfach mitgedacht und sollen gestärkt werden. Aber der von der dsj gefordert Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst fehlt.
Internationale Jugendarbeit
Um grenzüberschreitendes Lernen und europäische Freundschaften zu fördern, sollen die europäischen und bilateralen Jugendwerke sowie Fachstellen des europäischen und internationalen Jugend- und Fachkräfteaustauschs ausgebaut und deutlich gestärkt werden. Die dsj hatte sich für eine Stärkung eingesetzt, denn Sportvereine und -verbände sind mit Hunderten von Jugendmaßnahmen im Jahr in der internationalen Jugendarbeit engagiert und können mit einer bedarfsgerechteren Förderung besser unterrepräsentierte Gruppen erreichen.
Ganztag
Am Ausbauziel für die Ganztagsbetreuung in der Grundschule soll festgehalten werden. Bei der Umsetzung vor Ort soll den Kommunen mehr Gestaltungsspielraum eröffnet werden und Angebote der anerkannten freien Träger der Jugendarbeit – dazu gehören Sportvereine – sollen zur Erfüllung des Rechtsanspruchs herangezogen werden können und in ihrer Rolle gestärkt werden. Neu ist v. a., dass das laufende Investitionsprogramm um zwei Jahre verlängert und die Investitionsmittel für den Ganztag erhöht werden sollen.
Bildungs- und Teilhabepaket und Teilhabe-App
Es sollen durch Bürokratieabbau mehr Familien mit geringen Erwerbseinkommen für die Nutzung des Bildungs- und Teilhabepaketes erreicht werden. Auch das war schon Ziel der letzten Bundesregierung. Und um eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erreichen, soll Kindern und Familien über eine Teilhabe-App ein unbürokratischer Zugang zu besonderen schulischen Angeboten sowie Sport-, Musik-, Kultur- und sonstigen Freizeitangeboten ermöglicht sowie ein übergreifendes digitales Portal für alle Familienleistungen geschaffen werden.
Kinder- und Jugendschutz
Kinder- und Jugendschutz soll gestärkt und die interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessert werden. Die dsj hatte sich für ein bessere Synchronisierung von Kinder-/Jugendpolitik sowie Sportpolitik in Kinder- und Jugendschutzprogrammen des Bundes und dessen Gesetzesinitiativen stark gemacht.
Der Fonds Sexueller Missbrauch und das damit verbundene Ergänzende Hilfesystem soll unter Beteiligung des Betroffenenrats fortgeführt werden.
Mentale Gesundheit von jungen Menschen
Es soll eine Strategie „Mentale Gesundheit für junge Menschen“ mit den Schwerpunkten Prävention und Früherkennung psychischer Erkrankungen, insbesondere durch Aufklärung und niedrigschwellige Beratung von Eltern sowie Fortbildung von Pädagogen und Fachkräften eingesetzt werden. Mit ihren Kampagnen und Initiativen können dsj und viele Mitgliedsorganisationen daran anschließen und mitgestalten.
Inklusive Kinder- und Jugendhilfe
Das Ziel der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe durch Reduzierung der Schnittstellen soll weiterverfolgt werden, um den betroffenen Familien den Zugang zu Leistungen zu erleichtern und die Behörden zu entlasten. Es bleibt zu hoffen, dass der sehr weit und jahrelang mit breiter Beteiligung verhandelte, aber nicht verabschiedet Gesetzesentwurf zur Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe aus der letzten Legislatur aufgegriffen wird.
Demokratiebildung und demokratische Teilhabe
Der Koalitionsvertrag benennt die besondere Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen der Gesellschaft. Die Unterstützung von Projekten zur demokratischen Teilhabe durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ soll fortgeführt werden und wandert nicht ins BMI, wie zunächst in der Diskussion. Es soll aber eine Überprüfung dieses Programms in Bezug auf Zielerreichung und Wirkung veranlasst werden.
Selbstbestimmungsgesetz
Das in der letzten Legislatur in Kraft getretene Gesetz über die Selbstbestimmung im Bezug auf den Geschlechtseintrag wird nicht, wie in den Verhandlungen und im Vorfeld diskutiert, geändert, aber bis spätestens Juli 2026 evaluiert werden.
Koordinierungsstelle Fanprojekte
Um die Fankultur weiter zu fördern, soll die „Koordinierungsstelle Fanprojekte“ (KOS) weiter unterstützt werden. Die KOS begleitet inhaltlich die sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekte als Einrichtungen der Jugendarbeit und wird aus Mitteln des BMFSFJ gefördert.
Ministerium Familien, Senioren, Frauen und Jugend – plus Bildung
Das BMFSFJ – Bundesministerium Familien, Senioren, Frauen und Jugend soll voraussichtlich um die Abteilung „Bildung“ aus dem aktuellen Bundesministerium für Bildung und Forschung erweitert werden.
Für die Sportpolitik des Bundes listen die Koalitionäre Projekte und Vorhaben auf. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begrüßt die von der designierten Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD im vorgestellten Entwurf des Koalitionsvertrags geplanten Maßnahmen zur Stärkung des Sports, darunter:
Sportmilliarde – Modernisierung von Sportstätten
Es wird die Dringlichkeit einer Stärkung der Sportinfrastruktur (Sporthallen, plätze und Schwimmbäder) anerkannt und sie soll mit einer Milliarde Euro finanziert werden. Verbessert werden soll mit dieser Infrastrukturmaßnahme auch die Schwimmfähigkeit.
Staatsminister*in für Sport und Ehrenamt im Bundeskanzleramt
Im Bundeskanzleramt soll ein Amt des*der Staatsministers*in für Sport und Ehrenamt eingerichtet werden. Zum genauen Zuschnitt wird beraten. Die Person soll von der CDU gestellt werden. Der organisierte Sport erhofft sich davon bessere Sichtbarkeit und Stärkung des Sports insgesamt.
Olympische und Paralympische Spiele sowie Sportgroßveranstaltungen
Es wird im Vertrag nachdrücklich unter Wahrung der Autonomie des Sports die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele unterstützt und eine ausreichende Finanzierung auch anderer Sportgroßveranstaltungen befürwortet.
Den Organisationskostenzuschuss des Bundes für „Jugend trainiert für Olympia & Paralympics“ soll erhöht werden.
Spitzensportförderung, Athlet*innenförderung, Trainer*innenoffensive
Auch die geplanten Verbesserungen der Rahmenbedingungen im Spitzen- und Breitensport wertet der DOSB als gutes Zeichen. Die Spitzensportförderung soll stärker professionalisiert und digitalisiert werden, Athlet*innen sollen eine verbesserte soziale Absicherung erhalten, Prämien für gewonnene Medaillen sollen steuerrechtlich freigestellt werden. Eine Trainer*innenoffensive, die deutliche Stärkung des Ehrenamtes, die Erleichterungen für Vereine in der Verwaltung und ihre Anerkennung als Bildungsorte sind geplant.
Schutz vor Gewalt – Aufbau des Zentrums Safe Sport für den Spitzensport
Der begonnene Aufbau des Zentrums Safe Sport für den Spitzensport soll fortgeführt und ein abgestimmtes Zuständigkeitssystem zwischen dem organisierten Sport und dem Zentrum vorgesehen werden.
Bundesprogramm gegen Extremismus und Antisemitismus im Sport
Ein im BMI-angesiedeltes Bundesprogramm gegen Extremismus und Antisemitismus im Sport soll eingesetzt werden. Für die dsj wir die Fortführung des aktuell laufenden Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport zu klären sein.
E-Sport/Gaming
Die Gemeinnützigkeit des E-Sports soll anerkannt werden. Dazu sind die bereits seit langem diskutierten Anpassungen im Gemeinnützigkeitsrecht notwendig. Im Abschnitt des Koalitionsvertrages zur Wirtschaftspolitik wird zudem erklärt: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Games-Standortes Deutschland soll durch mehr Planbarkeit und Passgenauigkeit des Fördersystems gestärkt werden.