Die Ankündigung des internationalen olympischen Komitees im Rahmen der erstmalig am vergangenen Wochenende in Singapur ausgetragenen Olympic E-Sports Series neben neun anderen Medaillendisziplinen und fünf Demonstrationswettbewerben den Third-Person-Shooter Fortnite als digitale Variante des Schießsports spielen zu lassen, hat die Diskussionen rund um das Thema Gaming und E-Sport in Deutschland wieder Fahrt aufnehmen lassen. Dabei soll es in diesem Kommentar nicht um die Frage gehen, ob E-Sport als Sport anzusehen ist, sondern viel mehr um die Fragen, zu denen sich auch der Sport nun zeitnah positionieren soll – vielleicht aber auch muss.
Zuerst ist festzustellen, dass digitale Spiele so populär sind wie noch nie. So spielen, laut der JIM-Studie 76% der Kinder und Jugendlichen regelmäßig (1). Hier müssen Sportverbände für sich klären, ob und wie sie Anknüpfungspunkte zu dieser Lebensrealität junger Menschen schaffen wollen? Wenn sie entsprechende Angebote schaffen, stellen sich unmittelbar gemeinnützigkeitsrechtliche Fragen – denn die Gemeinnützigkeit des E-Sports oder auch der virtuellen Sportarten ist trotz intensiver Debatten in den vergangenen Jahren weiterhin nicht geregelt. Weder der organisierte Sport, noch die E-Sportverbände konnten sich mit ihren – durchaus gegensätzlichen – gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschlägen durchsetzen. Durch die Entwicklungen auf der internationalen Ebene erhält das Thema aber auch aus einem anderem Blickwinkel Relevanz: Setzt das IOC seinen Kurs fort, stellt sich absehbar die Frage nach der Berufung und Betreuung von Kadern für internationale E-Sport-Wettkämpfe durch die jeweiligen Spitzenverbände. Denn bisher ist die Nominierung über den DOSB und die Verbände als Teil der Aufgabe der Förderung des Sports satzungsgemäß festgehalten und gemeinnützig. Wenn nun der Schützenbund wollte, dass deutsche Spieler*innen an den neuen Wettbewerben teilnehmen, wäre dies wohl nicht ohne steuerliche Probleme machbar: Nach aktueller Rechtslage wäre das Engagement im E-Sport dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, was neben der komplizierten steuerlichen Behandlung beispielsweise auch den Einsatz öffentlicher Subventionen weitgehend unmöglich machen würde. Hier braucht es also sachliche Diskussionen, jenseits von einer moralinsauren Debatte über „Sport oder Nicht-Sport“. Vielmehr geht es um – im weitesten Sinne - “unternehmerische” Entscheidungen und eine strategische Positionierung. Eine einmal getroffene gemeinnützigkeitsrechtliche Regelung jenseits des Sports, die in der politischen Debatte ebenfalls zur Diskussion steht, würde den jetzigen, komplizierten Zustand perpetuieren und Sportverbänden und -vereinen ein Engagement im E-Sport auch in ferner Zukunft verbauen.
Neben dieser strategischen Entscheidung braucht es eine Auseinandersetzung, wie die Lebenswelt junger Menschen, die Gaming und E-Sport umfasst, in den bisherigen Sportkontext eingebettet werden kann. Dabei muss der Sport bei aller Offenheit aus meiner Sicht auch die negativen Aspekte des E-Sport benennen und einen Umgang damit finden: Glücksspielartige Mechanismen in digitalen Spielen (sog. Lootboxen) sind abzulehnen, allein schon aus Jugendschutzgründen, gleiches gilt für Möglichkeiten des Erwerbs von Spielvorteilen durch Echtgeld (pay-to-win). Und auch Spiele mit hohen Altersbeschränkungen (diese werden unter anderem wegen der expliziten Darstellung von Gewalt und Sex vergeben) kann ich mir nur sehr schwer im Vereinskontext vorstellen. Alles weitere sollten Sportvereine vor Ort entscheiden können, dafür braucht es aber eine rechtliche Sicherheit. E-Sport als eigener Zweck in der Abgabenordnung oder auch subsummiert unter Kultur würde dem Sportverein nicht helfen, da eine Änderung des Vereinszwecks notwendig wäre. Hier sind (zurecht) hohe Hürden im Vereinsrecht aufgebaut, die solche Anpassungen für viele Vereine de facto unmöglich machen. Ich bin daher gespannt, wie das erklärte Ziel der Ampelregierung im Koalitionsvertrag, den E-Sport gemeinnützig “machen”, umgesetzt wird und hoffe persönlich, dass die angekündigte Lösung auch für Sportvereine hilfreich sein wird.
Erste Erfahrungen mit E-Sport im Kontext von Sportvereinen werden aktuell in einem Projekt der Sportjugend NRW gesammelt. Hier wurden 20 Vereine mit Equipment und Beratung ausgestattet, um Angebote zu machen. Das vom NRW-Jugendministerium geförderte Projekt wird zudem wissenschaftlich begleitet, um Auswirkungen auf Gesundheits- und Sozialverhalten der Teilnehmenden zu evaluieren. Dabei bieten die Vereine E-Sport als Teil ihrer außersportlichen Jugendarbeit an – und umschiffen so sowohl sportpolitische als auch gemeinnützigkeitsrechtliche Debatten. Bisheriges Zwischenfazit: E-Sport führt nicht zur Explosion von Mitgliedszahlen und bringt neue Aufgaben, die personell gestemmt werden müssen - den beteiligten Vereinen hat es aber auch nicht geschadet, ihr Profil zu erweitern. Lasst uns also in eine Diskussion treten, wie die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen die Sportwelt beeinflussen darf und kann und wie der Sportverein als kommunaler Akteur eine breite Menge junger Menschen anspricht und entspricht. Denn wenn der organisierte Sport für sich beansprucht für alle Menschen in Bewegung zu sprechen und auch alle Menschen in Bewegung bringen möchte, sind auch unkonventionelle Wege geboten. Und wenn zugleich Sportverbände ihre Anschlussfähigkeit an internationale Entwicklungen erhalten – dann ist dies auch alles andere als problematisch.