Wie beruhigend! Die im September 2024 veröffentlichte Sonderauswertung des ZiviZ-Surveys zeigt: Sportvereine bleiben das zentrale Feld für freiwilliges Engagement in Deutschland, insbesondere im ländlichen Raum. Zugleich ist ihr Anteil an allen Engagierten rückläufig und es fällt ihnen immer schwerer, Ehrenamtliche, insbesondere für langfristige Aufgaben, zu gewinnen. Dies liegt jedoch weniger an einem Bedeutungsverlust der Sportvereine, sondern vielmehr an der Zunahme neuer Engagementbereiche, insbesondere in den Feldern Umwelt- und Bildungsarbeit. Schwieriger für Sportvereine ist es geworden, jungen Nachwuchs zu mobilisieren und für ein Engagement zu begeistern – obwohl ihnen genau das immer noch besser gelingt, als anderen Vereinen, was insbesondere für die Wertigkeit des Sports im Leben junger Menschen spricht!
Junge Menschen wünschen sich allerdings zunehmend flexible, niedrigschwellige Engagementformen, die darüber hinaus nicht auf Langfristigkeit oder zwingende Mitgliedschaften angelegt sind. Hier zeigt sich eine Diskrepanz, für die Lösungen gefunden werden müssen, damit Sportvereine zukunftsfähig bleiben: Während Sportvereine auf kontinuierlich engagierte Personen angewiesen sind, die zudem bereit sind, Qualifikationen wie Trainer*inlizenzen zu erwerben, wünschen sich jüngere Menschen zeitlich flexiblere Möglichkeiten. Das erschwert die Nachwuchsförderung insgesamt und kann Konsequenzen für die gesamte sportliche Leistungsfähigkeit und die soziale Funktion der Vereine in Deutschland haben. Wenn Sportvereine bestehen bleiben wollen, müssen sie damit beginnen, die Beweggründe junger Menschen zu verstehen und traditionelle Engagementformen, aber auch Bewegungsangebote weiterzuentwickeln sowie moderne und flexible Möglichkeiten für Engagement und Sport – unter der Beteiligung junger Menschen – zu finden.
Parallel dazu sollte aber nicht aus dem Blick geraten, dass junge Menschen sehr unterschiedlich „ticken“, verschiedene Bedürfnisse haben und sich nach wie vor auch viele junge Menschen stark nach Zugehörigkeit, Halt, Geborgenheit sowie nach verlässlichen, sicheren Strukturen und Aspekten wie Heimat und Tradition sehnen, was u. a. die aktuelle Sinus-Jugendstudie (2024) zeigte. Sportvereine sollten also parallel zu der Flexibilisierung von Engagement auch weiterhin Orte für Wertebildung bleiben, in denen Kontinuität, Durchhaltevermögen, Ausdauer und Geduld gelebt wird und junge Menschen sich langfristig motivieren und engagieren können sowie Selbstwirksamkeit im eigenen Umfeld erleben dürfen.
Junges Engagement braucht finanzielle Entlastung der Sportvereine!
Damit Sportvereine weiterhin für junge Menschen attraktiv, zugänglich und gesellschaftlich aktiv bleiben können, benötigen sie als Grundvoraussetzung sichere, funktionsfähige Sportstätten und -plätze sowie ausreichend qualifiziertes Personal – und genau das sind aktuell die größten Herausforderungen für die Sportvereine. Steigende Energiekosten, Ausgaben für Ausrüstung und Teilnahmegebühren bei Wettkämpfen setzen die Vereine insbesondere finanziell stark unter Druck. Viele Vereine haben begrenzte Möglichkeiten, ihre Einnahmen zu steigern, sei es durch Sponsoren oder höhere Mitgliedsbeiträge, zumal sie für junge Menschen immer noch bezahlbar und offen für alle bleiben wollen. Besonders Vereine mit eigenen Sportstätten oder regelmäßiger Wettkampfteilnahme leiden zunehmend unter dem wachsenden Investitionsstau. Es ist daher notwendig, die Sportanlagen und Kommunikationswege in den Sportvereinen zu modernisieren sowie bürokratische Hürden insgesamt abzubauen, damit junges Engagement überhaupt weiterhin möglich wird.
Junges Ehrenamt stärken und entlasten
Das Rückgrat der Sportvereine in Deutschland ist das Ehrenamt: Vorstandsmitglieder, Trainer*innen, Jugendleiter*innen und Schiedsrichter*innen übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben unentgeltlich – das gilt auch für junge Menschen. Der hohe administrative Aufwand, der mit Führungsrollen im Ehrenamt verbunden ist, ist u. a. ein Grund für die schwierige Rekrutierung und Bindung von Ehrenamtlichen. Komplexe Anträge für öffentliche Zuschüsse, die Einhaltung der Gemeinnützigkeit und die DSGVO-konforme Datenverarbeitung sind nur einige der bürokratischen Hürden, die Ehrenamtliche überwinden müssen. Hinzu kommen zusätzliche Pflichten im Rahmen von Wettbewerben und Sportveranstaltungen, die den administrativen Aufwand weiter erhöhen. Um dem entgegenzuwirken, gewinnen Fördervereine an Bedeutung. Sie helfen, die finanziellen Lücken zu schließen und den Betrieb der Vereine aufrechtzuerhalten. Auch wenn der Anteil bezahlter Beschäftigter in Sportvereinen gestiegen ist, basiert die Arbeit der meisten Vereine weiterhin auf ehrenamtlichem Engagement, von daher ist es wichtig, Engagement, gerade für junge Menschen, attraktiver zu gestalten und von administrativen Aufgaben (größtenteils) zu befreien, damit sie sich auf ihre Kernaufgabe im Sport und vor allem auf ihre Teams und Sportler*innen konzentrieren und dort wirken können.
Sportvereine verstehen sich seltener als Mitgliederorganisationen
Betrachteten sich 2012 noch rund 91 Prozent der Sportvereine als Mitgliederorganisation, so waren es zehn Jahre später nur noch 71 Prozent. Die Autor*innen der Studie gehen davon aus, dass dies mit der veränderten Auffassung der Bürger*innen zu tun habe, für die die Vereine zunehmend als Dienstleister fungierten. Gleichzeitig aber ist der Sportverein für die Befragten ein wichtiger Lernort geblieben, in dem Verantwortungsbewusstsein, Selbstwirksamkeit sowie Konflikt- und Dialogfähigkeit erlernt werden. Die Bildungsdimension des Vereins – nicht nur für junge Engagierte – spielt weiterhin eine große Rolle.
Ein weiteres Phänomen ist der zunehmende Wandel in der Wahrnehmung von Sportvereinen. Interessant ist, dass rund ein Viertel der Sportvereine, die sich in den letzten zwölf Jahren gegründet haben, sich keinem Sportverband anschließt und entsprechend auch nicht an Wettkämpfen oder am Ligabetrieb teilnimmt. Hier scheint sich ein Trend hin zu Spaß-, Freizeit- und Gesundheitssport zu etablieren, der neben den traditionellen Sportverein tritt und von einer differenzierten Rolle des Sports im Leben der Vereinsmitglieder zeugt.
Kooperationen fördern junges Engagement!
Ein weiterer Aspekt, der das Potenzial der Sportvereine und auch die Förderung jungen Engagements stärken könnte, ist die Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen wie Schulen oder Kindertagesstätten. Doch laut ZiviZ-Survey arbeiten nur 16 Prozent der Vereine mit solchen Einrichtungen zusammen. Der Sportentwicklungsbericht 2020-22 kam zu anderen Zahlen: knapp ein Drittel der Vereine kooperierten mit Schulen und etwa 18 Prozent mit Kindergärten oder Kindertagesstätten. Kooperationen gilt es – nicht nur vor dem Hintergrund des ab 2026 geltenden Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen – vielerorts auszubauen, um das Angebot der Sportvereine zu erweitern und zur Gewinnung neuer Zielgruppen genutzt werden. Vorwiegend Landessportverbände bieten eine Vielzahl an Orientierungsrahmen und Beratungsangebote für eine gelingende Kooperation, die Sportvereine kostenfrei nutzen können.
Fazit: Zukunftsfähigkeit von Sportvereinen und jungem Engagement erfordert Anpassung
Sportvereine stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen: Einerseits müssen sie flexiblere Engagementformate entwickeln, um junge Menschen zu gewinnen, andererseits dürfen sie ihre traditionellen Werte und die Gemeinschaftsbildung nicht aus den Augen verlieren. Die finanzielle Lage und die bürokratischen Hürden erschweren den Weg, doch mit der richtigen Unterstützung und Anpassung könnten Sportvereine weiterhin eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben und im Leben junger Menschen spielen – sowohl in der sportlichen Leistungsfähigkeit als auch als Lernort für demokratische Werte und soziale Kompetenzen.
Über dasZiviZ-Survey
Das ZiviZ-Survey ist eine zentrale repräsentative Datenerhebung zur organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland. Die Ergebnisse des aktuellen ZiviZ-Surveys wurden am 15. November 2023 auf einer öffentlichen Veranstaltung in Berlin vorgestellt und diskutiert. Im September 2024 ist die Sonderauswertung “Sportvereine unter Druck” veröffentlicht worden.