Der deutsch-japanische Sportjugend Simultanaustausch feiert in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum. Könnt ihr bitte einordnen, welche Bedeutung dieser Austausch für die Deutsche Sportjugend hat?
Kiki Hasenpusch: Die Bedeutung könnte nicht größer sein, denn durch den Austausch konnten bereits über 11.000 Jugendliche durch den Sport das Partnerland und die Kultur kennen- und schätzen lernen. „Sport verbindet uns“ ist das Motto unseres Austauschs mit der Japanischen Sportjugend – trotz der großen Entfernung und der vielen Unterschiede, sowohl in der Sprache als auch der Mentalität, wird hier besonders schön deutlich, was durch den Sport möglich ist. Der Austausch außerhalb Europas ist in der Form einzigartig und wir hoffen, dass er uns noch lange erhalten bleibt.
Benny Folkmann: Der Simultanaustausch ist nicht nur die wahrscheinlich größte bilaterale Einzelmaßnahme im gesamten deutschen Jugendaustausch, sondern für die dsj auch seit 50 Jahren Modellprojekt für die internationale Jugendarbeit. Das Flaggschiff unserer Austauscharbeit – mit Signal- und Vorbildwirkung in den gesamten Jugendsportstrukturen bis auf Vereinsebene. Dies betrifft das Einbinden von Themen wie Kinderschutz, Nachhaltigkeit und Gesellschaftspolitik, aber vor allem natürlich den bestmöglichen Nutzen von Sport als Instrument für interkulturellen Austausch.
Wann habt ihr beide das erste Mal Kontakt zum deutsch-japanischen Simultanaustausch gehabt und wie hat er euch geprägt?
Kiki: 2017 durfte ich das erste Mal als stellvertretende Delegationsleitung am Austausch teilnehmen und in knapp 2,5 Wochen viele Facetten und Regionen des Landes kennenlernen. Neben Selbstversuchen im Sumo-Ringen, Kyudo und Kendo sowie Nächten auf Tatamimatten hat mich besonders die unglaubliche Gastfreundschaft fasziniert. Es ist wahnsinnig schön zu sehen, mit welcher Hingabe wir dort Jahr für Jahr aufgenommen werden. Auch mich hat der Austausch gefesselt und ich bin dankbar, dass ich Verantwortung für diese besondere Partnerschaft übernehmen darf.
Benny: Ich hatte im Jahr 2001 als frisch gewähltes, 21-jähriges Vorstandsmitglied der dsj, die Ehre, gleich als stellvertretender Delegationsleiter mit 125 Jugendlichen für 3,5 Wochen nach Japan zu fahren. Die interkulturellen Erfahrungen insbesondere aus den Familienaufenthalten prägen mich bis heute. In den Folgejahren durfte ich den Austausch verantwortlich aus dem Vorstand heraus gestalten – dies war sicherlich eine der Hauptmotivationen für mein Engagement bei der dsj.
Anlässlich des diesjährigen Austauschs und des Jubiläums wart ihr Ende Juli in Japan. Berichtet gerne einmal von euren Tagen vor Ort.
Benny: Die „Jubiläumsreise“ war mein mittlerweile ca. 20. Besuch in Japan und sicherlich einer der Besondersten. Gleichzeitig mit uns waren eine Delegation des Sportausschusses des Deutschen Bundestages und der FC Bayern München vor Ort – perfekte Rahmenbedingungen für die Feier des 50. Austausches! Und die Feier an sich war einfach schön – ein festliches Ambiente, hochkarätige Gäste, sehr gute und wertschätzende Reden sowie die Ehrung von Noriko Takahashi, ohne die es die gesamte Zusammenarbeit nicht gegeben hätte.
Kiki: …und ohne die vermutlich die wenigsten der 11.000 Teilnehmenden, inklusive uns, das jeweils andere Land in der Form jemals kennengelernt hätten. Zudem haben wir den Diskus an die Japan Junior Sports Club Association (JJSA) und damit ausnahmsweise an eine Organisation überreicht - die höchste Auszeichnung der Deutschen Sportjugend.
Benny: Besonders war ebenso die Ehrung der Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die mit den wichtigsten Beitrag bei dem Austausch leisten. Sie sind durch die jahrelange Begleitung zu Freunden geworden, mit denen wir uns auch nach wie vor im Sprache lernen üben.
In Tokyo wurde auch eine neue Kooperationsvereinbarung mit der Partnerorganisation Japan Junior Sports Club Association (JJSA) unterschrieben. Wie sind die Zukunftspläne für den deutsch-japanischen Simultanaustausch?
Kiki: Wir sind bereit für die nächsten mindestens 50 Jahre. Benny sagte es bereits, in den Reden haben wir unglaubliche Wertschätzung erfahren – nicht nur von den beiden Organisationen, auch vom Deutschen Botschafter, dem japanischen Ministerium und dem Deutschen Sportausschuss. Nach Corona haben wir nun aber auch ein paar Hürden zu überwinden, denn die zwei Jahre digitaler Austausch gingen nicht spurlos an der Partnerschaft vorbei.
Benny: Deshalb müssen wir viel Kraft aufwänden, um den Austausch am Leben zu halten. Dazu gehört auf der einen Seite die Bereitschaft zu ständiger Veränderung in Bezug auf die Interessen von Jugendlichen. Auf der anderen Seite müssen wir den Kern des Austausches, die Familienaufenthalte, das gemeinsame Sporttreiben und die überragende Rolle der Dolmetscherinnen und Dolmetscher, auf jeden Fall beibehalten.
Zum Abschluss des diesjährigen Simultanaustauschs und des 50-jährigen Jubiläums findet am 12. August in Frankfurt am Main eine große Feier statt. Was erwartet die Gäste zu diesem besonderen Anlass?
Kiki: Neben musikalischen und sportlichen Darbietungen ist es eine Ehre für uns, die neue Vorsitzende der JJSA, Naomi Masuko, erstmalig bei uns begrüßen zu dürfen. Auch der Generalkonsul von Japan wird dem Fest beiwohnen – eine tolle Wertschätzung! Besonders wird ebenso die Vorstellung des Jubiläumbuches. Hier hat die Arbeitsgruppe Japan der dsj eine wunderbare Arbeit geleistet und spannende und einzigartige Geschichten von vielen Beteiligten zusammengestellt.
Benny: In diesem Jahr ist die japanische Delegation zunächst im Rathaus in München auf Einladung der Landeshauptstadt München empfangen worden, die Jubiläumsfeier findet im Römer in Frankfurt am Main statt, beide Veranstaltungen mit hochkarätigen Ehrengästen – ein passender und würdiger Rahmen für dieses Projekt.
Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht Kürzungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit vor, was die dsj bereits stark kritisiert hat. Könnten diese Kürzungen auch den deutsch-japanischen Sportjugend Simultanaustausch betreffen?
Benny: Wir müssen alle gemeinsam aufpassen, dass bei der Haushaltsgestaltung und sicherlich notwendigen Einsparungen das richtige Maß angewendet wird und nicht dort gekürzt wird, wo mit den Mitteln unglaublich nachhaltige Wirkung in der außerschulischen und interkulturellen Bildung erzielt werden kann. Japan mag weit weg und ressourcenintensiv klingen; die Erfahrungen, die die Jugendlichen im jeweils anderen Land während nur einer einzigen Reise machen, vergessen sie allerdings ihr Leben lang nicht mehr. Davon konnten sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Ende Juli vor Ort eindrucksvoll überzeugen.
Kiki: Insgesamt ist der erste Aufschlag für den Haushalt 2024 eine Enttäuschung. Wenn die Kürzungen in der Form so eintreten, ist die gesamte Kinder- und Jugendarbeit im Sport betroffen – das wird voraussichtlich auch nicht spurlos an der internationalen Jugendarbeit vorbei gehen. Wie Benny sagt, gilt es jedoch große Einschnitte zu verhindern. Hierfür zeigen wir auf, welches Potential der Sport in vielerlei Hinsicht bietet.