Im April 2024 waren Leon Ries, Geschäftsführer der Deutschen Sportjugend (dsj), und Julia Schneider, Vorsitzende der Deutschen Turnjugend, im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, um über Schutz vor Gewalt im organisierten Sport zu berichten. Dabei wurde gemeinsam mit den anwesenden Abgeordneten deutlich, dass es einen Schulterschluss aus Sport und Politik braucht, um das Thema Safe Sport voranzubringen. Zu diesem Zweck hat die Deutsche Sportjugend Vereine, Verbände und Politik zum vertiefenden Fachgespräch „Kinderschutz im Breitensport: Politik und Sport im Schulterschluss“ in die Geschäftsstelle nach Frankfurt eingeladen. Die hessischen Bundestagsabgeordneten Katja Adler (FDP), Philip Krämer (Bündnis90/ Die Grünen) und Nadine Ruf (SPD) haben sich gemeinsam mit Julia Schneider (Deutsche Turnjugend), Angelika Ribler (Sportjugend Hessen) und Thomas Rosa (TG Camberg) sowie Vertreter*innen von dsj und DOSB, Leon Ries, Julian Lagemann, Michaela Röhrbein, David Knöß und Karola Kurr in Form eines interaktiven Schreibgesprächs dazu ausgetauscht, wie der Sport und die Politik in diesem Themenfeld zukünftig noch besser zusammenarbeiten können. Dabei wurden die folgenden drei Fragen bearbeitet und anschließend diskutiert:
Wie können Sport und Politik den Kinder- und Jugendschutz bis in die Vereinsebene stärken?
Diskutiert wurde, wie es gelingt, Schutzkonzepte auf Vereinsebene zu etablieren und wo die nötigen Kompetenzen hierfür liegen. Einigkeit bestand darin, dass die überwiegend ehrenamtlich geführten Sportvereine niedrigschwellige Unterstützung vor Ort benötigten. Hier halten die (Landes-)Kompetenzzentren in den Landessportbünden und -jugenden bereits vielfältige Angebote vor und sichern die qualitativen Standards im Sport. Für Philip Krämer ist es dabei wichtig, sicherzustellen, dass alle Einrichtungen, auch über den Sport hinaus, sich überhaupt erstmal mit diesem Thema beschäftigen. Dafür brauche es eine politische Vorgabe. Katja Adler plädiert an dieser Stelle für einen Kulturwandel: „Was gibt es für einen Kulturwandel, wenn es Top down, von oben nach unten, vorgeschrieben ist? Das Wichtige ist ja gerade bei diesem sensiblen Thema, dass wir einen Kulturwandel vornehmen, dass die Kompetenz vor Ort ist, dass die Einsicht und die Sensibilität vor Ort ist und nicht, dass gesagt wird, wir müssen es ja machen, also machen wir es jetzt.“
Insgesamt wurde zu dieser Frage viel über das Empowern der Zivilgesellschaft gesprochen. Julia Schneider spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, weniger an Bestrafungen und Auflagen für Vereine und Verbände zu arbeiten und appelliert stattdessen dafür, das Thema positiv zu transportieren und Anreize für Vereine zu schaffen. Dazu gibt es von allen Anwesenden Zustimmung. Julia Schneider spricht sich zudem dafür aus, die Sportvereine und -Verbände monetär zu unterstützen, die etwas für den Kinder- und Jugendschutz tun. Thomas Rosa wünscht sich als Vereinsvertreter einen vorgezeichneten Weg mit konkreten Empfehlungen. Dies könne in Form einer Mappe sein, mit der Vereine dann Schritt für Schritt die notwendigen Aufgaben erledigen können.
Welche Strukturen und Ressourcen braucht es, um den Kinder- und Jugendschutz im Sport in Zukunft sicherzustellen?
Bei dieser Frage wurden vor allem die Schnittstellen der kommunalen Verantwortung und die Unterscheidung zwischen Breiten- und Leistungssport diskutiert. Julia Schneider zeigte auf, dass sie als Spitzenverband kaum Ressourcen für diese wichtige Arbeit haben. Der Deutsche Turnerbund mit 5 Mio. Mitgliedern habe eine Stelle und eine Werksstudentenstelle aus Eigenmitteln finanziert, um dem Thema gerecht zu werden. Sie wünsche sich Verantwortlichkeit von Bund und Ländern auch für die Fachverbände im Breitensport. Im Rahmen der Finanzierungsfrage und der angespannten Haushaltslage wurde anschließend über die Möglichkeit eines Bundesprogramms für Safe Sport gesprochen. Ein solches Programm würde die Möglichkeit bieten, sowohl in die Verbände als auch in die Sportkreise und Vereine zu wirken. Angelika Ribler machte sich dafür stark, dass Gelder in die Landeskompetenzzentren im Sport fließen, um die vorhandenen Strukturen, Netzwerke und Kompetenzen zu stärken bzw. dort aufzubauen, wo sie noch weiter gestärkt werden müssen.
Wo sehen Sie die Kompetenzen und die Verantwortung des organisierten Sports im Kinder- und Jugendschutz?
Einig war man sich bei dieser Frage, dass die Kompetenzen vor Ort liegen. Es brauche Sicherheit, an wen man sich als Verein wenden kann. Denn lokale (Fach-)Beratungsstellen verweisen oft auf den Sport, weil sie nicht die notwendigen Kenntnisse zu den Strukturen des organisierten Sports besitzen. Die Beratung durch die Ansprechstellen im Sport habe durch die Orientierung auf die Bedürfnisse von Betroffenen in den letzten Jahren eine qualitative Weiterentwicklung vollzogen, so Angelika Ribler. Wichtig sei, dass auch zukünftig vielfältige Beratungsstrukturen existierten und es die freie Wahl für die Betroffenen gäbe. Je engmaschiger dabei das Beratungsnetz sei, desto besser.
Die Qualität der Beratung sei ebenso entscheidend, betonte Angelika Ribler. Wichtig sei zudem eine direkte und durchgehend verfügbare Erreichbarkeit für akute Fallberatungen. Nadine Ruf unterstützt dies und führt aus: „Auf kommunaler Ebene braucht es Ansprechpartner, die nicht beraten, aber die Ansprechpartner sind. An Ansprechpartner kann man sich wenden und sie vermitteln weiter. Das ist wichtig und vielleicht ist es sogar gut, für die Beratung dann aus der eigenen Struktur rauszugehen.“
Philip Krämer setzt sich in Bezug auf Kompetenzen für eine Schulung für Kinderrechte ein. Wichtig ist ihm, dass Kinder und Jugendliche überhaupt erstmal wissen, was ist übergriffiges Verhalten und was sind ihre Rechte. Abschließend war man sich einig, dass es beim Kinderschutz immer auch um das Wohl der Kinder und Jugendliche gehe und ganz im Sinne der Kinderrechte (schützen, fördern, beteiligen) positive Ansätze wichtig sind.