Bewegung, Spiel und Sport – Eine Trias als Fundament für das Leben und eine starke Gesellschaft: Ein Schritt, ein Sprung, ein Team

Quelle: stock.adobe.com/Sergey Novikov/olgasparrow

Ein Plädoyer für mehr persönliches und gesellschaftliches Wachstum durch Bewegungs- und Begegnungsräume

Während politische Konflikte und gesellschaftliche Debatten sich verändern, digitale Möglichkeiten und unser Wissen permanent wachsen und an Komplexität zunehmen, die Olympischen Spiele einen hitzigen Diskurs über das deutsche Sportfördersystem erneut aufflammen lassen, bleibt doch eine einfache Konstante, die unverändert ist und uns alle vereint:

Die Grundbedürfnisse des Menschen nach Begegnung UND nach Bewegung, Spiel und Sport.

Mit „Begegnungen“, insbesondere im Sportverein, schaffen wir Zusammengehörigkeit, Toleranz, ein friedliches Miteinander und schützen uns vor Einsamkeit und Isolation, während „Bewegung“ unverzichtbar ist, um den Körper in seinen Grundfunktionen zu erhalten und gesund zu bleiben. Sofern politische Entscheidungsträger*innen die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft wirklich sichern wollen, sollten sie in genau diese Ziele investieren: Die Bewegung und Begegnung von Menschen! Damit Kinder und Jugendliche die politisch gewollte starke Gesellschaft von morgen sein können, braucht es mehr Bewegungs- und Begegnungsräume.

Vom Scrollen zum Sprinten: Junge Menschen wieder in Bewegung und ins Leben bringen

In der Kindheit wird die Welt durch Bewegung spielerisch erkundet – durch Krabbeln, Laufen und Springen. Mit zunehmendem Alter geht dies vermehrt verloren, die Bewegungszeit sinkt im Alltag und das obwohl längst alle wissen, dass Bewegung zur Gesundheit und Entwicklung des Menschen beiträgt. „Wer rastet, der rostet“ – warum hat genau diese Redewendung in Zeiten von zunehmendem Übergewicht, dem nachweislich negativen Effekt von hohen Social Media-Aktivitäten oder den Herausforderungen im Leistungssport keine Hochkonjunktur in Politik und Gesellschaft? Der Mensch braucht Bewegung, um seine „Art“ zu erhalten. Selbst für Tiere gibt es gesetzliche Vorschriften für „artgerechtes Leben“, aber uns Menschen interessiert es weniger, wieviel Freifläche ein Kind zum Spielen braucht? Der Mensch muss sich bewegen, den Körper stärken und aktiv bleiben – denn sonst bilden Körper und Hirn wichtige Funktionen zurück und verkümmern. Alarmierend ist z. B., dass Social Media und Internet mittlerweile zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen junger Menschen zählen und der Sport dabei an die zweite Stelle rückt (MOVE FOR HEALTH, 2023) – und genau deswegen braucht es ein körperliches und soziales Erwachen!

Würde die Bewegungsförderung stärker im Fokus politischer Maßnahmen stehen, so wären gleichzeitig Investitionen in soziales Miteinander und Wachstum getan – denn als Nebenprodukt von Sport und Bewegung kommt genau das dabei rum: mehr Gemeinschaft und weniger Vereinzelung. Und noch etwas: Es wären nebenbei auch Investitionen in die Förderung von mentaler Stärke und Resilienz sowie in die Prävention von chronischen Krankheiten und Stress. Das würde Krankenkassen sowie Arbeitnehmende und Arbeitgeber*innen entlasten und politische Entscheidungsträger*innen könnten damit einen Punkt auf ihrer To-Do Liste streichen.

Es ist daher mehr denn je an der Zeit, junge Menschen die Liebe und Hingabe zu Sport und Bewegung wiederentdecken zu lassen, sie Akzeptanz und Anerkennung in einer Gemeinschaft spüren und das überragende Gefühl erleben zu lassen, im Rahmen eines Engagements zu wirken und zu gestalten, in dem eigene individuelle Fähigkeiten eingebracht werden dürfen. Es muss wieder „cringe“, „nice“ oder „stabil“ sein, sich zu engagieren, in einen Sportverein zu gehen und sich dort mit Gleichgesinnten zu treffen. Hier wird nicht nur durch die Übernahme von Aufgaben kostenfrei fürs Leben gelernt, wie Verantwortungsübernahme oder Zuverlässigkeit, sondern auch Begegnung von unterschiedlichen Menschen ermöglicht. Es sollte wieder selbstverständlich und ganz normaler Alltag werden, sich draußen oder mit Anderen im Verein zu bewegen, sich wohlzufühlen in seinem Körper und in der Gruppe sowie hin und wieder auch mal an Grenzen zu gehen, sein Bestes zu geben und sich weiterzuentwickeln.

In diesem Kontext muss uns auch viel deutlicher werden, dass junge Menschen unterschiedliche Bedürfnisse, Voraussetzungen oder Ressourcen mitbringen. Die einen bevorzugen den Wettkampf, die anderen brauchen mehr Spiel, wieder andere tragen familiäre Lasten mit sich und brauchen geschützte Räume und positive Beziehungen oder sind einfach in einem Alter, in dem der Körper wächst, sich verändert und das Wohlbefinden mindert. Wir müssen jungen Menschen wieder mehr Raum geben, in dem sie sein dürfen, wer sie sind (divers, männlich, dick, dünn, arm oder wettkampforientiert...) und deshalb nicht an den Rand gestellt werden.

Magic of Play - Spielen prägt Kinder nachhaltig

Das Spielen hat eine viel wichtigere Bedeutung, als vielleicht angenommen wird. Im Spiel lernen Kinder und Jugendliche ihre Fähigkeiten zu entdecken und weiterzuentwickeln. Sie lernen, Risiken einzugehen, kreative Lösungen zu finden und im Team zu agieren. Außerdem ist der Spaß am Spiel besonders reizvoll für Kinder. Nicht umsonst nutzen viele kommerzielle Anbieter den Gamificationansatz, um junge Menschen in digitale Räume zu locken. Es ist also ganz einfach: Ein spielerischer Ansatz hält uns länger an einer Aufgabe und bringt uns komplexe Themen nah. Ein stärkerer Fokus auf das Spiel brächte auch Vorteile für das gesamte Bildungssystem. Mit mehr Spiel aus dem Pisa-Schock? Möglich! Mit spielerischen Elementen wird Bewegung und Sport sowie jeder Lernprozess für jedes Kind mit Freude assoziiert und kann eine Basis dafür bilden, lebenslang aktiv zu bleiben oder sogar leistungsorientiert Sport zu treiben – oder auch bessere schulische Leistungen zu erzielen.

Kinder und Jugendliche brauchen also Orte für freies Spiel, Entwicklung ihrer Fähigkeiten und menschliches Miteinander. Sie brauchen für sie gut erreichbare Spielplätze, offene Schulhöfe, Sportvereine, Parks, Wälder, Siedlungen, Stadtzentren uvm. – geben wir sie ihnen für eine positive Zukunft und Entwicklung der Gesellschaft wieder zurück!

Sport als Spiel des Lebens

Nicht nur Bewegung und Spiel – sondern auch Sport muss wieder stärker in den Mittelpunkt von Schulen, Kitas und das Bewusstsein der Gesellschaft rücken! Sport kann sowohl den Körper als auch den Geist stark, widerstands- und leistungsfähig machen. Bei der Ausübung einer Sportart werden gleich mehrere Prozesse im Hirn aktiviert, wie sensorische, kognitive, motorische oder emotionale Vorgänge, die am Ende alle einen Einfluss auf Motivation, Wohlbefinden, Glücksgefühle, Schmerzlinderung, aber auch Gedächtnisleistung oder Lernfähigkeit im Allgemeinen haben. Von daher ist Sport viel mehr als nur ein Wettkampf oder Leistungsvergleich. Er bedeutet auch zu lernen, eigene Ziele zu erreichen sowie ausdauernd und langfristig an Dingen dranzubleiben. Lernprozesse, die im Beruf, Alltag oder in Beziehungen genutzt und übertragen werden können. Dass Sport auch ein soziales Phänomen ist, das Menschen unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialem Hintergrund zusammenbringt, ist angesichts der diesjährigen Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris auch nicht neu. Wir brauchen den Sport – vor allem den Sport in der Gemeinschaft.  Unsere Gesellschaft benötigt so dringend diesen Treiber von gegenseitigem Verständnis und Zusammenhalt, gerade angesichts zunehmender gesellschaftlicher Konflikte und Spaltungen.

Was schließen wir daraus?

Wir sind uns angesichts aktueller politischer und medialer Diskurse ziemlich sicher: Im Grunde wissen Politik und Gesellschaft ziemlich genau, wie wertvoll Bewegung, Spiel und Sport sowie die Notwendigkeit von Begegnungen von jungen Menschen sind, insbesondere angesichts des steigenden Einsamkeitsgefühls unter diesen. Aber Wissen reicht nicht – sie müssen diese Lebensgrundlagen auch entsprechend priorisieren, fördern und unterstützen: Schulen und Kitas sind bewegungsfreundlicher zu gestalten, Kooperationen zwischen Jugendzentren oder Schulen und Sportvereinen zu stärken, es braucht mehr freie Bewegungs- und Spielräume sowie einen finanziell starken und fairen Sport. Es braucht bessere Rahmenbedingungen, innovative Ideen für unkomplizierte und leicht erreichbare Bewegungsmöglichkeiten und kluge Investitionen in Bewegungs- und Begegnungsräume - als Mittelpunkt der Gesamt(bewegungs)strategie Deutschlands.  

Wir laden in diesem dazu Monat ein, mehr über persönliches und gesellschaftliches Wachstum durch Bewegungsräume zu erfahren, sich zu bewegen, zu spielen und Sport zu treiben und darüber nachzudenken, wann man sich zum letzten Mal im analogen Raum bewegt habt, ohne jemandem begegnet zu sein? Wenn wir also mehr persönliches und gesellschaftliches Wachstum der Gesellschaft wollen, muss den Potenzialen von Bewegung, Spiel und Sport mehr Vertrauen geschenkt werden – für eine starke Gesellschaft: ein Schritt, ein Sprung, ein Team!

Das „Plädoyer für mehr persönliches und gesellschaftliches Wachstum durch Bewegungs- und Begegnungsräume” hat Katharina Morlang für das Handlungsfeld Bewegung, Spiel und Sport (BeSWS) der Deutschen Sportjugend verfasst. Weitere Informationen zu den Potenzialen und Rahmenbedingungen von Bewegung, Spiel und Sport im Rahmenkonzept BeSS der Deutschen Sportjugend (2022).


Zurück