Aus „Forum Kinder- und Jugendsport – Zeitschrift für Forschung, Transfer und Praxisdialog“

Quelle: LSB NRW/Michael Grosler

Der Kinder- und Jugendsport braucht soziale Innovationen

Fachbeitrag von Lukas Oettle in „Forum Kinder- und Jugendsport – Zeitschrift für Forschung, Transfer und Praxisdialog“ (Jahrgang 4, Heft 1, Mai 2023)

Sport fördert die körperliche Entwicklung im Kindes- und Jugendalter und unterstützt ein gesundes Heranwachsen (Abb. 1). Sport stärkt das Selbstbewusstsein und schafft Motivation, Sport gibt Halt, er bringt Menschen zusammen, er sozialisiert. Die regelmäßige Teilnahme am Sport erweitert das soziale Netzwerk, indem sich Freund- und Bekanntschaften entwickeln. Die Liste der postulierten Wirkungen des Sports ist lang und könnte noch fortgesetzt werden. Gerade der gemeinnützige, organisierte Sport gilt hier als besonders bedeutsam, da er Zugang zu einer Vielzahl sozialer Wirkungen ebnen kann und derzeit rund 27 Mio. Menschen in rund 87.000 Sportvereinen alleine in Deutschland erreicht (Deutscher Olympischer Sportbund e. V. 2022).

Wie in den im Jahr 2015 formulierten UN-Nachhaltigkeitszielen sichtbar wird, stehen wir national wie global vor einer Reihe komplexer Probleme. Die Weltgemeinschaft hat sich im Zusammenschluss der Vereinten Nationen mit der Agenda 2030 zu globalen Zielen für eine bessere Zukunft ausgesprochen. So soll unter anderem Armut bewältigt werden, Gesundheit und Wohlergehen gesteigert, Geschlechtergleichheit hergestellt und soziale Ungleichheiten sollen reduziert werden (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2022).

Im Hinblick auf die Erfüllung der UN-Nachhaltigkeitsziele wirkt der organisierte Sport ambivalent. Die zahlreichen evidenten gesundheitsförderlichen und sozialintegrativen Funktionen des Sports bringen viele Chancen mit sich, um gesellschaftspolitische Probleme anzugehen. Gleichzeitig wissen wir aber auch: Sport kann nur für diejenigen wirksam sein, die daran partizipieren. Werfen wir einen Blick auf die Mitgliederstrukturen in Sportvereinen, wird die Ambivalenz des Sports schnell deutlich. So liegen gerade in den Sportvereinen besondere soziale Selektionsschwellen vor: Je höher die Schulform oder der soziale Status, desto höher ist die Partizipationsrate, Jungen gehen eher in den Sportverein als Mädchen und Kinder aus einkommensschwachen Familien sind deutlich weniger in Sportvereinen aktiv (Hanssen-Doose et al. 2021; Mess et al. 2011; Nagel 2003a). Es wird schnell ersichtlich: Das Durchschnittsmitglied eines Sportvereins ist männlich, wohlsituiert, körperlich und geistig gesund. Exkludierende Prozesse finden im organisierten Sport ähnlich statt wie im gesellschaftlichen Alltag. Trotz des hohen integrativen Potenzials des Sports und hierbei insbesondere des organisierten Sports, ist bereits lange bekannt, dass gerade der traditionell organisierte Sport durchsetzt ist von Praktiken sozialer Ungleichheiten und Exklusion (Collins 2014; Spaaij et al. 2014).

Wenn wir also im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele den organisierten Sport mit seiner enormen Reichweite nutzen möchten, um Armut und Armutsfolgen zu bewältigen, um Gesundheit und Wohlergehen für benachteiligte Personengruppen zu steigern oder Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, müssen wir uns mit der Frage konfrontieren, ob die bisherigen Strukturen und Strategien dem gewachsen sind. Der Anspruch auf nachhaltige Entwicklung korrespondiert zu wenig mit tatsächlichen Transformationsprozessen (Gieß-Stüber und Werkmann 2023). Der Kinder- und Jugendsport steht hierbei in besonderer Verantwortung, da er das Sportverhalten im Erwachsenenalter prägt (Klostermann und Nagel 2011).

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Forum Kinder- und Jugendsport – Zeitschrift für Forschung, Transfer und Praxisdialog ist die erste Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, die sich explizit mit dem vielfältigen Feld des Kinder- und Jugendsports außerhalb des schulischen Sportunterrichts befasst. 

Ziel der Zeitschrift ist es, einen Praxis-Forschungsdialog und damit das von- und miteinander Lernen und Erfahren voranzutreiben. Alle (auch jungen) Aktiven im Kinder- und Jugendsport haben die Möglichkeit, ihre aktuellen Vorhaben und Projekte in der Zeitschrift zu platzieren, Herausforderungen zu benennen und damit auch in der Wissenschaft auf dringende Forschungsfragen aufmerksam zu machen. Darüber hinaus können Wissenschaftler*innen Forschungsbeiträge einreichen. 

Über zeitschrift_fkjs(at)dsj.de kann man einen Fach- oder Forschungsbeitrag einreichen oder sich bei Interesse an einem Abonnement melden.


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